Ist der neue § 1a VVG der Tod des Vertreters?

Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittler werden nach dem neuen § 1a VVG, der mit dem IDD-Umsetzungsgesetz beschlossen wurde, verpflichtet, „gegenüber Versicherungsnehmern stets ehrlich, redlich und professionell in deren bestmöglichem Interesse“ zu handeln. Der neue Paragraf tritt mit dem restlichen Gesetz am 23. Februar 2018 in Kraft.

Muss ein Ausschließlichkeitsvertreter das „beste“ Angebot haben?
Das dürfte der Berufsstand des klassischen Vertreters nicht überleben“, meint Axel Kleinklein im „Manager Magazin“, der Chef des Bundes der Versicherten und nach eigener Darstellung „gefürchtete Kritiker der Assekuranz“. Damit scheint er allerdings nicht in Sorge um den Tod seiner eigenen Tochtergesellschaft BdV Mitgliederservice GmbH zu sein, die als Versicherungsvertreter zugelassen ist. Eine andere Tochtergesellschaft desselben Verbands ist als Versicherungsberater zugelassen, aber vermutlich hat ihm bei seiner Kommentierung des § 1a VVG auch nicht diese „Lösung“ des Problems der Vertretung der „falschen Seite“ und entsprechender Abhängigkeit vorgeschwebt.

Vielmehr geht es ihm um die Ausschließlichkeitsvertreter, die „nur zwei Handlungsoptionen“ hätten – ein eigenes Produkt zu verkaufen oder dem Kunden davon abzuraten und illoyal zu werden, wenn es irgendwo ein besseres Produkt gibt. Denn es „wäre (…) schon ein irrsinniger Zufall, wenn ausgerechnet das Unternehmen, für das dieser Vermittler gerade arbeitet, genau das Unternehmen ist, das immer das beste Angebot macht“.

Was erwartet der Kunde vernünftigerweise?
Allerdings steht weder im VVG noch in der Richtlinie IDD etwas davon, dass Ausschließlichkeitsvertreter „das beste Angebot“ des Marktes anbieten müssen. Vielmehr erfährt der Kunde schon durch eine korrekte statusbezogene Erstinformation, dass es sich um einen Vertreter und nicht um einen Makler handelt. Meist wird schon in dieser Erstinformation, typischerweise per Visitenkarte, oder spätestens mit der vor Antragstellung vorgeschriebenen Mitteilung der Beratungsgrundlage die konkrete Gesellschaft genannt, für die der Vertreter ausschließlich tätig ist.

So wie der Kunde vom Mercedes-Händler nicht verlangen kann, BMW empfohlen zu bekommen, wird auch der Kunde der Provinzial vernünftigerweise keine Allianz-Angebote erwarten. Auch der Rewe-Kunde muss nicht aufgeklärt werden, ob das Paket Butter bei Aldi möglicherweise eine höhere Qualität hat. Mit dem Betreten des jeweiligen Geschäfts akzeptiert der Kunde stillschweigend das begrenzte Angebot. Er muss auch nicht sofort kaufen, sondern kann den Laden verlassen, andere Läden betreten und Vergleiche anstellen. Das ist seine freie Entscheidung als mündiger Verbraucher.

Anders ist das allerdings bei demjenigen Anbieter, der behauptet, das Marktangebot zu überblicken und anbieten zu können. Das ist der Versicherungsmakler. Hier muss der Kunde nicht damit rechnen, den Laden wechseln zu müssen, um Vergleiche anzustellen.

Englisch „best“ interest
Der Begriff „bestmögliches“ Interesse entspricht einer deutschen Übersetzung von „best interest“ aus der englischsprachigen Richtlinie. „Bestmöglich“ scheint begrifflich weiter auslegbar zu sein als „bestes“. In England als dem Mutterland der prinzipienbasierten Regulierung gilt allerdings auch nur für denjenigen ein Gebot des „Best Advice“, der verspricht den Markt zu überblicken.

Daraus wird allerdings von interessierter Seite eine überhöhende Forderung nach „Honorarberatung“ abgeleitet, die angeblich in England gefordert sei. Die IDD und auch die Briten sprechen dagegen von „Fees“, also von „Gebühren“. Der Makler, und nur der Makler, muss mit dem Kunden transparent vereinbaren, wie und in welcher Höhe er von wem bezahlt werden soll. Das kann vom Kunden sein und würde bei uns als „Honorar“ bezeichnet. Das kann aber genauso vom Versicherer kommen und würde bei uns „Courtage“ heißen – mit dem kleinen Unterschied, dass der Kunde erfährt und unterschreibt, welche Courtage fließen soll.

Risiken muss der Fachmann korrekt erkennen und benennen
Eins ist allerdings klar: Das bestmögliche Interesse des Kunden zu wahren, bedeutet auch für den Ausschließlichkeitsvertreter, dass er als Fachmann die Risiken des Kunden zutreffend erkennen und benennen muss. Und sollte er keine geeigneten Versicherungsprodukte dafür anzubieten haben, die das Risiko decken können, muss man von ihm verlangen können, dies dem Kunden so zu sagen. So wie der BMW-Händler dem Kunden, der einen Lastwagen benötigt, vernünftigerweise nicht zum Kauf eines Sportwagens der eigenen Marke raten, sondern dem Kunden mitteilen wird, dass es andere Hersteller und Händler gibt, bei denen sein spezifischer Bedarf zu befriedigen ist.

Aber anders als im Beispiel des Lastwagen-suchenden Kunden kann man im Versicherungs-Ausschließlichkeitsvertrieb Lösungen finden, wenn es auf Produktseite klemmt. Die heißen Ventil- oder Kooperationsgeschäft. Fehlende Produkte sollten auf diesem Weg von anderen Versicherern beschafft werden. Was sich hier in der Praxis allerdings ändern sollte ist, dass das Ventilgeschäft nicht durch geringere Provisionen und schlechtere Unterstützung der Vertreter benachteiligt wird. Es darf keinen Anreiz geben, dem Kunden ein eigenes, ungeeignetes Produkt zu empfehlen, obwohl ein anderes passendes Angebot in diesem Fall vom Ventilpartner verfügbar wäre.

Hier schließt sich ein ganz anderer Kreis der IDD: Ab dem 23.Februar 2018 neu oder wesentlich verändert entwickelte Produkte müssen einen internen Genehmigungsprozess durchlaufen, in dem der Zielmarkt und die einschlägigen Risiken der dortigen Kunden zu beschreiben sind. Das kann nur bedeuten, dass der Versicherer entweder brauchbare eigene Deckungen für die einschlägigen Risiken entwickeln oder entsprechend geeignete Deckungen von Partnern hinzunehmen muss. Den Vertrieb hat er dann so auszusuchen und zu schulen, dass er diese Risiken des Kunden erkennen und decken kann.

Was wünscht sich der Verbraucher?
Das bestmögliche Interesse des Kunden wird von der Bundesregierung als erfüllt angesehen, wenn „bei der Erteilung eines Rates oder einer Empfehlung die Wünsche des Versicherungsnehmers“ berücksichtigt werden. „Was das bestmögliche Interesse des Versicherungsnehmers ist, bestimmt sich also nicht ausschließlich nach objektiven Maßstäben.“

Wünscht der Kunde seine Versicherungen von einem Vertreter, dem er vertraut, der ihn gut betreut und der Schäden rasch und ordentlich reguliert, dann ist das eben auch wichtig zu beachten, selbst wenn dieser Vertreter wohl nicht „die billigste“ oder die – nach welchen subjektiven Maßstäben auch immer bewertet – „beste“ Versicherung hat. Alles andere wäre eine Bevormundung, wenn Versicherungen nur noch nach scheinbar objektiven Maßstäben verkauft werden dürfen, die in Wahrheit recht subjektiv zum Beispiel von Verbraucherschutzorganisationen als „beste“ Angebote definiert werden. Klassikerbeispiel sind die Briefmarken und Antiquitäten, die nach Ansicht der Verbraucherzentrale Hamburg in einer vor Jahren herausgegebenen Verbraucherinformation besser zur Altersvorsorge geeignet sein sollen als staatlich geförderte Rentenversicherungen. Subjektiver kann man einen Maßstab kaum wählen.

 

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