Deutschland verpatzt automatisierte OSS-Meldungen

Seit 1. Juli gibt es in Deutschland zur Abwicklung der Umsatzsteuer das One-Stop-Shop-Verfahren (OSS) und verschärfte Regelungen zur Umsatzsteuerpflicht im EU-Ausland. Wer aus Deutschland Waren ins EU-Ausland an Privatkunden versendet und dabei eine Lieferschwelle von 10.000 Euro Nettoumsatz überschreitet, wird in jedem EU-Land steuerpflichtig, in das auch nur ein Paket versendet wird.

Das OSS-Verfahren soll das System der Steuererklärungen im EU-Ausland vereinheitlichen und vereinfachen, schließlich sind nach der Verringerung der Lieferschwelle nun viel mehr Online-Händler im Ausland umsatzsteuerpflichtig. Einfacher soll es werden, weil man alle Steuererklärungen für alle EU-Länder bei einer einzigen Stelle gesammelt abgeben kann – in Deutschland ist das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) die zuständige Behörde, die den OSS anbietet und verwaltet. Im besten Fall kann die Steuermeldung voll automatisiert erfolgen, das war zumindest das Versprechen.

Händler müssen Steuern manuell melden – weil die Technik nicht fertig ist

Doch nun setzt Ernüchterung bei Händlern ein: Kurz bevor die erste, vierteljährliche Steuererklärung für das dritte Quartal spätestens am 31. Oktober fällig wird, ist nun klar, dass die Technik nicht fertig geworden ist. Online-Händler müssen die Meldung manuell abgeben, wie zuerst der Dienstleister Taxdoo meldete.

Wer sich als Händler darauf vorbereitet hat, die OSS-Meldung etwa gesammelt als CSV-Dateiupload, per Schnittstelle oder aus DATEV zu übermitteln, muss jetzt feststellen, dass dies für das dritte Quartal 2021 nicht möglich ist. Stattdessen muss die Meldung im Online-Portal des BZSt (BOP) manuell abgeben werden. Das bedeutet für Händler Kosten, Risiken und vor allem erheblichen Mehraufwand.

Viele haben in Automatisierung investiert – und müssen nun manuell ran

„Da sehr viele Händler lange auf eine elektronische Schnittstelle gehofft haben und auch dafür Investitionen in automatisierte Prozesse getätigt haben, wird das für viele eine große Herausforderung“, sagt Dr. Roger Gothmann, Geschäftsführer von Taxdoo, einem Steuerdienstleister für E-Commerce-Unternehmen.

Online-Händler müssten nun ihre Datenstruktur für die Meldung vorbereiten. So müsse in einem Schritt zwischen digitalen Dienstleistungen und digitalen Fernverkäufen unterschieden werden, schreibt Gothmann in einem Blogbeitrag. Dann müssten die Transaktionsdaten im zweiten Schritt auch nach Fernverkäufen unterschieden werden, die entweder aus Deutschland versendet wurden oder aber aus Lagern im Ausland. Dabei müsse der Lagerort aus dem versendet wird, vermutlich klar zu identifizieren sein. Im dritten und letzten Schritt müssten die gesammelten Umsätze je Mitgliedstaat mit dem gesammelten Steuersatz gemeldet werden. Das heißt vermutlich auch, dass eine Unterscheidung zwischen Standardsteuersatz und reduzierten Sätzen gemacht werden muss.

Wer trägt die Verantwortung für das Chaos?

Online-Händler müssen zwar nicht jede einzelne Transaktion manuell melden, aber eine Trennung nach Abgangsland, Bestimmungsland und Steuersatz muss erfolgen. Betroffene Händler dürften dadurch teilweise einen enormen Mehraufwand haben, der vermeidbar gewesen wäre. Schließlich ist seit Jahren bekannt, dass das OSS-Verfahren kommt und dass es dafür die entsprechende Technik benötigt.

Roger Gothmann sieht die Verantwortung bei den deutschen Behörden: „Da andere EU-Staaten – z. B. Österreich – schon deutlich länger eine entsprechende Infrastruktur bereitgestellt haben, kann man in diesem Fall von einem nationalen Versäumnis sprechen.“ Grund seien die föderalen Strukturen, die die Softwareentwicklung bei großen IT-Projekten wie dem OSS durch zahlreiche Abstimmungsrunden verlängert und letztendlich verzögert haben.

BZSt verspricht technische Umsetzung im November

Auf Anfrage bestätigte das BZSt, dass die Meldung für das dritte Quartal aufgrund von „Verzögerungen in der technischen Umsetzung“ nicht automatisiert eingereicht werden kann. Allerdings verspricht das Amt, dass „die Importfunktion von CSV-Dateien voraussichtlich ab Ende November zur Verfügung“ stehe.

Gothmanns Optimismus hält sich jedoch in Grenzen, dass die automatisierte Meldung für das vierte Quartal technisch möglich ist: „Aktuell würde ich die Wahrscheinlichkeit mit 50 Prozent beziffern. Große IT-Projekte der Finanzverwaltung waren bislang alles andere als Erfolgsgeschichten.“

Die Leidtragenden sind die Online-Händler

Während für Online-Händler strenge Fristen und Pflichten ohne Spielraum bei der Nichterfüllung gelten, verspäten sich die Behörden enorm und bringen Online-Händler in eine schwierige Situation. Schließlich müssen die Händler nun Sorge dafür tragen, dass die komplizierte manuelle Meldung ohne Fehler erfolgt. „Manuelle Prozesse in der Steuerfindung und -deklaration, wie sie das BZSt jetzt fordert, sind fehleranfällig und unterliegen im Rahmen von Betriebsprüfungen daher einem besonderen Argwohn des Prüfers“, erklärt Gothmann diesbezüglich. „Die Haftung dafür obliegt einzig und alleine dem Händler.“

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