Zwei Investment-Experten über die Vereinbarung von Nachhaltigkeit und Rohstoffen
Kupferbedarf könnte trotz steigendem Recycling-Anteil Angebot übersteigen
Dr. Thomas Hohne-Sparborth, Head of Sustainability Research bei Lombard Odier Investment Managers
Heute entziehen wir unserer Umwelt jedes Jahr fast 100 Milliarden Tonnen Material, von denen ein Großteil für die Herstellung kurzlebiger Güter verwendet und nur wenig davon recycelt wird. Es sind bereits klare Strategien zur Bewältigung dieser Herausforderung erkennbar. Erstens können Investitionen in die zirkuläre Bioökonomie dazu beitragen, unsere Abhängigkeit von Produkten wie Stahl oder Zement zugunsten von regenerativen Gütern wie Holz und anderen Biomaterialien zu verringern. Zweitens können verbesserte Herstellungsverfahren wie der 3D-Druck oder die additive Fertigung den Ressourcen-Fußabdruck radikal verringern. Und drittens kann uns der Übergang zu einer stärker ergebnisorientierten und dienstleistungsbasierten Wirtschaft, zum Beispiel durch die Nutzung der Sharing Economy, dabei helfen, unser Leben effizienter und weniger verschwenderisch zu gestalten.
Trotz alledem kann es sein, dass wir bei einigen Materialien die Produktion erhöhen müssen. Kupfer zum Beispiel wird für die Elektrifizierung der Wirtschaft und die Abkehr von fossilen Brennstoffen unerlässlich sein. Angesichts des steigenden Bedarfs an diesen und anderen Materialien könnten sich die derzeitigen Vorräte selbst bei einem hohen Recyclinganteil als unzureichend erweisen. Einige Formen der Gewinnung können schnell eingestellt werden. Der Abbau von Kraftwerkskohle zum Beispiel wird in einer Netto-Null-Welt keinen Platz mehr haben, und wir haben angesichts ihrer schädlichen Rolle eine Ausschlusspolitik für unsere Portfolios eingeführt. Auch bei Materialien wie Eisenerz könnte die Nachfrage im Vergleich zu historischen Basisszenarien zurückgehen. Bei einigen anderen Materialien, die für den Übergang notwendig sind, kann der Abbau von Ressourcen unerlässlich bleiben, muss aber gut gemanagt werden. In Anbetracht der hohen Umweltbelastung durch den Bergbausektor ist es von entscheidender Bedeutung, dass angemessene Geschäftspraktiken angewandt werden. Dazu gehören die Verpflichtung zu umfassenden Umweltverträglichkeitsprüfungen, partizipative Konsultationen mit lokalen Gemeinschaften und Interessengruppen und – was oft vernachlässigt wird – ein umfassender Plan für die Rekultivierung eines Bergbaugebiets nach Einstellung der Produktion. Letztendlich kann der Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft zusätzliche Investitionen in ausgewählte Rohstoffe erfordern, um die Engpässe in wichtigen Lieferketten zu beseitigen, die für den Übergang erforderlich sind, und gleichzeitig die Umweltauswirkungen der Bergbautätigkeiten selbst zu verringern.
In Gebäuden verlegte Kupferkabel stellen einen sozio-ökonomischen Wert dar
Tobias Stöhr, Börsen-Experte bei Spectrum Markets
Nachhaltigkeit fängt bei Rohstoffen an. Denn ursprünglich kommt der Begriff aus der Forstwirtschaft. Nachhaltigkeit bedeutet hier, jeder geschlagene Baum wird durch einen nachwachsenden ersetzt. Dieses lässt sich auch auf andere Rohstoffindustrien übertragen, zum Beispiel auf den Bergbau. Das Problem hier ist, dass z. B. weltweit immer mehr Kupfer benötigt wird. Für die Herstellung einer neuen Windturbine werden – je nach On- oder Offshore – 4-15 Tonnen Kupfer benötigt. Wollen wir also auf der einen Seite den Klimawandel bekämpfen, z. B. über erneuerbare Energien, werden wir in den nächsten 30 Jahren mehr Kupfer benötigen als jemals zuvor. Ziel kann es also nur sein, auch im Bergbau nachhaltige Strategien einzuführen und sich mit der kompletten Supply Chain bis hin zu den Minengesellschaften auseinanderzusetzen.
Jährlich gelangen laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) 24 Millionen Tonnen Kupfer in die globale urbane Mine, weitere 13 Millionen erreichen die End-of-Life-Phase und werden für das Recycling verfügbar. Die Wiederverwertbarkeit von Kupfer trägt zur Ressourcenschonung, zum erfolgreichen Urban Mining und zu höheren Recyclingquoten bei: Recyceltes Kupfer deckt bereits 35 Prozent des weltweiten Kupferbedarfs. Die derzeitige weltweite Recyclingrate für Kupfer am Ende der Lebensdauer liegt bei ca. 40 %. In einigen Teilen der Welt, z. B. in der EU, China und Japan, wird mehr als die Hälfte des gesamten Kupfers nach Gebrauch recycelt.
Darüber hinaus ist das gesamte Kupfer, das in den letzten 30 bis 40 Jahren für die Verkabelung von Häusern und Gebäuden verwendet wurde, immer noch in Gebrauch und kann zurückgewonnen werden, was einen erheblichen sozio-ökonomischen Wert darstellt.
Mit dem globalen Wandel hin zu erneuerbaren Ressourcen und der Dekarbonisierung wird Kupfer eine Schlüsselrolle in der nachhaltigen Entwicklung spielen.
So könnte das auf den ersten Blick paradoxe Paar langfristig zueinander finden und die Aufgabe, die Bedürfnisse der jetzigen Generationen zu erfüllen, ohne die nächste Generation zu gefährden, gelingen.