Russland stellt etwa 10 % der globalen Ölversorgung und ein Drittel des europäischen Erdgases bereit. Angesichts der drohenden Beeinträchtigung der europäischen Versorgung und der Tatsache, dass nordamerikanische und andere Lieferanten ihre Produktion hochfahren, werden die europäischen und weltweiten Gaspreise voraussichtlich steigen. Die Invasion Russlands hat bereits unmittelbare Schockwellen auf den Energiemärkten ausgelöst. So stieg der Preis für Rohöl der Sorte Brent auf über 105 US-Dollar pro Barrel und überschritt damit zum ersten Mal seit 2014 wieder die 100-Dollar-Marke. Längerfristig könnte diese Krise die Diskussion über die Energieunabhängigkeit anheizen. Auf kurze Sicht wird die Situation zu einem Anstieg der Preise führen.
Große Abhängigkeit bei Neongas, Metallen und Weizen
Transportunterbrechungen und steigende Öl- und Rohstoffpreise bringen neue Herausforderungen mit sich. Dies geschieht zu einem Zeitpunkt, an dem sich die immer noch fragilen globalen Lieferketten nur schwer erholen können. Bestimmte Waren, die aus Russland und der Ukraine bezogen werden, darunter Neongas, ein wesentlicher Bestandteil der Halbleiterherstellung, Metalle und Weizen, machen die kritischen Abhängigkeiten deutlich. Sie könnten die Unterbrechungen der globalen Lieferketten weiter verschärfen und die Inflation anheizen. Die Handelsbeziehungen zwischen Europa und Russland sind jedoch außerhalb des Energiebereichs begrenzt. „Der Großteil der EU-Importe aus Russland besteht aus Energie und bescheidenen Bankgeschäften, während die EU-Exporte nach Russland nur etwa 0,5 % des gesamten Bruttoinlandsprodukts (BIP) des Euro-Blocks ausmachen“, stellen die Analysten von Brandywine Global fest.
Auswirkungen der Sanktionen auf Russland
Seit der Annexion von Teilen Georgiens und der Halbinsel Krim hat Russland versucht, seine Binnenwirtschaft zunehmend von ausländischen Einflüssen abzuschirmen, indem es die Verschuldung im Verhältnis zum BIP auf eines der niedrigsten Niveaus reduzierte und gleichzeitig seine Währungsreserven zu einer der stärksten Positionen weltweit aufbaute. Die verschärften Wirtschaftssanktionen Europas, der USA, Großbritanniens und Kanadas könnten letztendlich die angestrebten Konsequenzen nach sich ziehen. Allerdings könnte die russische Wirtschaft in der Lage sein, einer längeren Phase als erwartet standzuhalten. In den letzten Tagen haben die USA und Europa das Ausmaß der Wirtschaftssanktionen gegen Russland erheblich verschärft. Zu den bedeutendsten gehören die Beschränkungen für die russische Zentralbank und die globale Zahlungsverkehrsplattform SWIFT. Das US-Finanzministerium wird die Vermögenswerte der russischen Zentralbank einfrieren und Transaktionen in Dollar untersagen. Unterdessen schneidet Europa Russland den Zugang zu seinen Währungsreserven ab. Darüber hinaus ist allen Bürgern der USA und der EU der Handel mit der russischen Zentralbank untersagt. Auch der Ausschluss bestimmter russischer Banken aus dem globalen Zahlungsnachrichtensystem SWIFT wird unterstützt. Dieser Schritt birgt jedoch einige Risiken. Europa müsste weiterhin in der Lage sein, elektronische Transaktionen für die benötigten Energiekäufe aus Russland durchzuführen. Außerdem könnte Russland nicht mehr in der Lage sein, Zahlungen an andere internationale Finanzinstitutionen und Länder zu leisten. Und schließlich könnte ein Ausscheiden aus SWIFT Russland näher an China heranführen, das über eine eigene elektronische Plattform für Finanztransaktionen verfügt. Das letztgenannte Risiko könnte längerfristige Auswirkungen auf die Position des US-Dollars als Weltreservewährung haben.
Aufgrund des deutlichen Widerstands der Ukraine könnte sich die Annexion als äußerst schwierig erweisen, während lähmende Wirtschaftssanktionen die Fähigkeit Russlands beeinträchtigen würden, die Kontrolle über die Ukraine erfolgreich aufrechtzuerhalten.