Von Rechtsanwalt und Hochschullehrer Prof. Dr. Bröker und Rechtsanwalt Markolf Schmidt, Göttingen
Als echte Alternative zu vielen Geldanlagen in den sog. „klassischen Finanzinstrumenten“ wie Aktien, Anleihen, Fonds, ETFs etc. gelten die Vermögensanlagen. Vermögensanlagen sind nach § 1 Abs. 2 VermAnlG (Vermögensanlagengesetz) nicht in Wertpapieren verbriefte und auch nicht als Investmentvermögen ausgestaltete Anteile, die im Grunde eine Beteiligung an den Ergebnissen eines anderen Unternehmens gewähren. Namentlich im Gesetz aufgezählt werden dabei Unternehmensbeteiligungen aller Art, Beteiligungen an Treuhandvermögen, partiarische Darlehen, Nachrangdarlehen Genussrechte, Namensschuldverschreibungen, Anlagen im Zusammenhang mit der zeitweisen Überlassung von Geld betreffend Edelmetalle sowie als generelle Regelung alle sonstigen Anlagen, bei denen die zeitweise Überlassung von Geldern und deren spätere Verzinsung/Rückzahlung im Vordergrund stehen.
Für den Vertrieb sind solche Produkte, die im Grunde eine ausgesprochen flexible Ausgestaltung in inhaltliche Vielfalt bieten können, interessant, bieten sie doch außerhalb des „Mainstreams“ oft interessante Anlagemöglichkeiten. Oft werden die verschiedensten Arten von Vermögensanlagen insbesondere als „Sachwertanlagen“ beworben. Hier handelt es sich häufig um Anlagen in Immobilien, Grundstücke, Bäume/Holz, Container/Waggons, Energieprojekte, Planung und Projektentwicklung, Edelmetallinvestments und andere Sachgüter.
Für den öffentlichen Vertrieb solcher Vermögensanlagen in Deutschland muss zum einen ein Verkaufsprospekt erstellt, bei der BaFin hinterlegt, von dieser gebilligt und die Veröffentlichung dann von der BaFin gestattet werden. Auch sind die Erstellung, Hinterlegung und Veröffentlichung eines Vermögensanlageninformationsblattes erforderlich. Von diesen zwingenden gesetzlichen Anforderungen gibt es nur ganz wenige und eng begrenzte Ausnahmen.
Grundsätzlich verboten sind seit dem 17.08.2021 sog. Blind-Pool Anlagen, also Vermögensanlagen, bei denen das Anlageobjekt zum Zeitpunkt der Erstellung des Verkaufsprospektes nicht konkret bestimmt ist (§5b Abs. 2 VermAnlG). Auch sog. Semi-Blind-Pool Konstruktionen werden von dem Verbot erfasst. Bei Semi-Blind-Pool Konstruktionen handelt es sich um Vermögensanlagen, bei denen zwar die Branche, z. B. Immobilien, konkret angegeben wird, das einzelne Anlageobjekt aber nicht bekannt ist. Bei den sog. Mehrebenenstrukturen (z. B. Einschaltung verschiedener Gesellschaften, die die eingeworbenen Gelder weiterreichen) gilt das Blind-Pool Verbot für jede Investitionsebene.
Soeben hat die BaFin dazu ein neues und stark erweitertes Merkblatt auf ihrer Homepage unter www.bafin.de veröffentlicht, in dem sie neue Kategorien von Anlageobjekten aufgenommen hat, die nach ihrer Auffassung unter bestimmten Umständen ein „Blind-Pool Angebot darstellen können und damit verboten wären.
Das soeben veröffentliche neue Merkblatt wird ergänzt durch eine Checkliste zum Anlageobjekt.
Bei diesen derzeit 12 neuen Kategorien, die nunmehr in der Checkliste recht ausführlich dargestellt werden, hat die BaFin eine Reihe von Mindest-Kriterien angegeben, die im Vermögensanlagenprospekt enthalten sein müssen. Die BaFin versteht die 12 derzeitigen Kategorien als nicht abschließend und erklärt dazu, dass sie Anlageobjekte, die auf den ersten Blick nicht direkt einer dieser 12 Kategorien zuzurechnen sind, durch Einzelfallentscheidungen prüft. Bei den derzeitigen in den 12 Kategorien als maßgeblich festgelegten Kriterien, anhand derer das jeweilige Anlageobjekt beurteilt wird und die im Prospekt in jedem Fall genau anzugeben sind, handelt es sich im Wesentlichen um:
Anlageobjekt Häuser/Gebäude/Immobilien (Stück):
Standort
Größe/Gesamtfläche der Immobilie
Grundstücksgröße
Nutzungsart
Baujahr/Datum der Fertigstellung
Angabe, woraus Zins- und Rückzahlung erwirtschaftet werden soll
Bei Mischinvestment: prozentuale oder betragsmäßige Verteilung der Nettoeinnahmen
Anlageobjekt Grundstücke
Standort
Grundstücksgröße
Zusammenhängendes Grundstück (ja/nein)
Angabe, woraus Zins- und Rückzahlung erwirtschaftet werden soll
Bei Mischinvestment: prozentuale oder betragsmäßige Verteilung der Nettoeinnahmen
Anlageobjekt Bäume/Hölzer
Standort
Grundstücksgröße
Baumarten und prozentuale oder betragsmäßige Verteilung bei verschiedenen Baumarten
Pflanzjahr, Alter der Bäume
Bei Eigentumsübertragung Angaben darüber, wie diese vorgesehen und nachgewiesen wird
Angabe zum (ausländischen) Rechtskreis der Standorte der Anlageobjekte
Angaben zum Eigentumsübergang der Anlageobjekte nach ausländischem Recht
Bei Mischinvestment: prozentuale oder betragsmäßige Verteilung der Nettoeinnahmen
Anlageobjekt Container/Waggons o.ä. (Gattung):
Typ inkl. Größe und Fassungsvolumen
Nutzungsart
Zustand/Alter
Aktuelle oder geplante Vermietung
Vermieter/Verkäufer der Container
Bei Eigentumsübertragung Angaben darüber, wie diese vorgesehen und nachgewiesen wird
Angabe, woraus Zins- und Rückzahlung erwirtschaftet werden soll
Bei Mischinvestment: prozentuale oder betragsmäßige Verteilung der Nettoeinnahmen
Anlageobjekt Windenergieanlagen/Solaranlagen/Erneuerbare Energien-Anlagen (Gattung):
Standort bzw. bei noch unbekannten konkreten Standorten alle wesentlichen Standortbedingungen
Erzeugungsart der Anlage
Art, Typ, Hersteller der Anlagen
Angabe, ob die erforderlichen Netzanbindungsvoraussetzungen bereits vorliegen
Angabe, woraus Zins- und Rückzahlung erwirtschaftet werden soll
Bei Mischinvestment: prozentuale oder betragsmäßige Verteilung der Nettoeinnahmen
Bei Projektierung solcher Anlagen
Gegenstand der Projektierung
Gegenstand der Projektrechte
Angabe, wonach sich der Preis der Projektrechte richtet
Angabe, woraus Zins- und Rückzahlung erwirtschaftet werden soll
Bei Mischinvestment: prozentuale oder betragsmäßige Verteilung der Nettoeinnahmen
Zusätzlich: Grundstücke und welche Anlagen auf diesen Grundstücken errichtet werden sollen.
Anlageobjekt Edelmetalle (Gattung):
Edelmetallart
Größe/Gewicht
Qualität/Reinheitsgrad
Form
Ort/Art der Lagerung
Bei Eigentumsübertragung Angaben darüber, wie diese vorgesehen und nachgewiesen wird
Anlageobjekt Handel mit Mobilien wie z. B. Vermietung, Verpachtung der Verkauf von Mobilien (z. B. Ladestationen für E-Autos, Packstationen, Onlinehandel für Kleinwaren, Vermietungsplattformen):
Bei Kleinmobilien:
Produktkategorie
Gebrauchte Produkte/Neuwaren
Geplante Anzahl oder Menge pro Produktkategorie
Bei Großmobilien:
Anzahl pro Produkt
Hersteller des Produkts
Genaue Bezeichnung des Produkts und Markenname
Bei beiden zusätzlich:
Eigentumsverhältnisse
Standort
Angabe, woraus Zins- und Rückzahlung erwirtschaftet werden soll
Bei Mischinvestment: prozentuale oder betragsmäßige Verteilung der Nettoeinnahmen
Anlageobjekt Investitionen in die eigene Produktion – Produktion/Herstellung von Gütern oder Forschung/Entwicklung von Gegenständen (Gattung):
Angabe, welche Produkte mit den Nettoeinnahmen produziert/hergestellt/entwickelt werden sollen
Geplante Anzahl/Menge
Angabe, welche Rohstoffe/Grundstoffe/Materialien/Werkzeuge zur Herstellung erworben werden sollen
Ggfalls Erwerb/Anmietung von Lagerflächen/Verkaufsräumen dafür
Sowie ggfalls Art/Kosten angeschaffter Maschinen dafür und deren Kapazitäten
Angabe, woraus Zins- und Rückzahlung erwirtschaftet werden soll
Bei Mischinvestment: prozentuale oder betragsmäßige Verteilung der Nettoeinnahmen
Anlageobjekt Unternehmensübernahmen/Kauf von Unternehmen/Unternehmensbeteiligungen (Stück):
Bei Unternehmensübernahme/Kauf von Unternehmen:
Zielunternehmen (Firma, Rechtsform, Registernummer, Sitz)
Angabe, was Unternehmensgegenstand der Fortführungsgesellschaft sein soll
Art der Übernahme /Share- oder Asset Deal)
Fundstelle des letzten Jahresabschlusses der Zielgesellschaft
Bei Asset Deal, welche Vermögensgegenstände erworben werden sollen
Bei Beteiligungen
Firma, Registernummer, Sitz oder Geschäftsanschrift
Unternehmensgegenstand
Gezeichnetes Kapital
Höhe der angestrebten Kapitalbeteiligung
Geplante Beteiligungsdauer
Angestrebte Einflussnahme auf das Management des Beteiligungsunternehmens
Bei beiden zusätzlich:
Angabe, woraus Zins- und Rückzahlung erwirtschaftet werden soll
Bei Mischinvestment: prozentuale oder betragsmäßige Verteilung der Nettoeinnahmen
Anlageobjekt Restaurants/Gastronomie und allgemein Verkaufsläden für Waren (Stück):
Konzept/Zeitpunkt der geplanten Inbetriebnahme/Erweiterung/Ausbau/Modernisierung
Angabe, welche Immobilien/Räume angemietet, gepachtet oder gekauft werden/wurden mit Standort und Größe
Angaben zum Betreib, z. B. Franchise oder eigener Betrieb
Ggfalls ob und wenn ja wie zusätzlich Nettoeinnahmen in die Produktion von Lebensmitteln oder Waren fließen
Angabe, woraus Zins- und Rückzahlung erwirtschaftet werden soll
Bei Mischinvestment: prozentuale oder betragsmäßige Verteilung der Nettoeinnahmen
Anlageobjekt Entwicklung und/oder Vertrieb von immateriellen Gütern wie z. B. Software/Apps oder Angebot von Dienstleistungen (Gattung):
Angabe zum Konzept im Detail
Angabe, woraus Zins- und Rückzahlung erwirtschaftet werden soll
Bei Mischinvestment: prozentuale oder betragsmäßige Verteilung der Nettoeinnahmen
Anlageobjekt Stadtwerke/Grundversorger (z. B. Wasserversorgung etc.) sofern Ausbau des Geschäftsbetriebes zur Erneuerung von Leitungen und Netzen (Gattung):
Angabe der zu erneuernden Geschäftsbereiche (Strom, Gas, Wasser etc.)
Angabe des Umfangs der Erneuerungen
Ggfalls Angaben zu dazu zu erwerbenden Immobilien wie z. B. Filterhallen etc.
Angabe, woraus Zins- und Rückzahlung erwirtschaftet werden soll
Bei Mischinvestment: prozentuale oder betragsmäßige Verteilung der Nettoeinnahmen
Ganz besondere Aufmerksamkeit widmet die BaFin in dem neuen Merkblatt dem Anlageobjekt „Investition des Emittenten in sich selbst und seinen Geschäftszweck“. Hier sollen nur bestimmte Bereiche für solche Investitionszwecke offenstehen. Diese sind:
Personal
Marketing/Vertrieb
Eigene Verwaltung/Management
Erwerb/Anmietung/Anpachtung von Büromaterial/Büromöbeln/IT-Infrastruktur
Erwerb/Anmietung/Anpachtung von Bürogebäuden
Dabei verlangt die BaFin, dass in solchen Fällen ein hoher Grad an Offenlegung im Prospekt zu verlangen ist, insb. dazu, in welche konkreten Geschäftstätigkeiten wie und mit welchem Ziel investiert werden soll nebst Beschreibung der konkreten Mittelverwendung.
Die vorstehenden Kriterien sind dem neuen Merkblatt der BaFin entnommen und stellen lediglich zunächst eine erste Orientierung dafür dar, wie genau sich die BaFin in Zukunft die Beschreibung von Anlageobjekten in Prospekten über Vermögensanlagen vorstellt.
Diese Übersicht ist, wie die BaFin ausdrücklich erklärt, keineswegs abschließend.
Von besonderer Bedeutung für Vertrieb, Konzeptionäre, Emittenten ist die Übergangsfrist. Hier ist eine Frist von nur 12 Monaten nach Hinterlegung des Vermögensanlagenprospektes festgelegt. Danach ist das öffentliche Angebot zu beenden. Das gilt aber nur für solche Vermögensanlagen, die vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung, mit der § 5 b Abs. 2 VermAnlG im Hinblick auf den gebilligten Prospekt oder gestatteten Vermögensanlageninformationsblattes (VIB). Das Gesetz, welches hier gemeint ist, ist das Anlegerschutzstärkungsgesetz, welches mit dem neuen § 5b Abs. 2 VermAnlG mit Datum vom 09.07.2021 im Bundesgesetzblatt verkündet wurde und einen Monat später in Kraft trat. Die „alten“ Prospekte bzw. VIBs, die noch in die Übergangsfrist fallen, dürfen also allerspätestens ab dem 08.08.2022 nicht mehr öffentlich angeboten werden. Hier ist das Fristende nahe. Dabei ist zu beachten, dass die Hinterlegung unbedingt vor dem Inkrafttreten des Gesetzes am 09.08.2021 erfolgt sein musste, so dass bei der Fristberechnung der 08.08.2002 wohl zugrunde zu legen sein dürfte als spätestes Datum, und zwar auch nur dann, wenn die Hinterlegung tatsächlich bis zu diesem Tag erfolgt war. Konkret bedeutet das, dass die Frist von 12 Monaten auch deutlich VOR dem 08.08.2022 abgelaufen sein kann. Das ist im konkreten Einzelfall genau zu prüfen.
Die Bafin macht dabei darauf aufmerksam, dass sie den diesbezüglichen Markt aktiv überwachen und bei Verstößen einschreiten wird. Das Einschreiten dürfte – wie bisher auch – insbesondere auf die Untersagung des Vertriebs und möglicherweise auch die Anordnung der Rückzahlung bereits eingenommenen Anlegergelder gerichtet sein. Hinzu kommen mögliche Bußgelder nach § 29 Abs. 1 VermAnlG.
Es besteht also unbedingter und dringender Handlungsbedarf im Hinblick auf solche Produkte. Alle Vermittler und Vertriebe sollten daher schnellstens sicherstellen, dass sie nicht in das Problem der Fristüberschreitung laufen. Alle Konzeptionäre und Emittenten sollten sich schnellstens darum bemühen, ihre Anlageobjekte auf die neue Rechtslage umzustellen bzw. anzupassen.