Hochqualifizierte, selbstbewusste Mitarbeiter führen

 

Hochqualifizierte Mitarbeiter sind meist selbstbewusst. Also hinterfragen sie häufig auch die Meinungen und Entscheidungen ihrer Vorgesetzten. Deshalb fällt Führungskräften zuweilen der Umgang mit ihnen schwer.

Führungskräfte haben heute oft keinen fachlichen Wissens- und Erfahrungsvorsprung mehr vor ihren Mitarbeiter. Denn diese sind nicht selten hochqualifizierte Spezialisten. Entsprechend selbstbewusst sind diese Mitarbeiter – insbesondere, wenn sie wissen, dass das Unternehmen auf ihre Expertise angewiesen ist. Dann wollen sie „im täglichen Miteinander die Wertschätzung spüren, die ihnen ihrer Auffassung nach gebührt“, betont der Managementberater Hans-Peter Machwürth, Visselhövede. Fehlt diese, sinkt ihre Arbeitsmotivation und im Extremfall wechseln sie den Arbeitgeber.

Mehr und anders kommunizieren

Solche selbstbewussten Mitarbeitenden zu führen, fällt vielen Führungskräften schwer – auch, weil manche noch insgeheim das Credo verinnerlicht haben, dass ihren Anweisungen blind Folge zu leisten ist. Doch insbesondere viele Angehörige der Generation Y, die nach 1980 geboren sind und heute bereits das Rückgrat zahlreicher Unternehmen bilden, sehen das anders. Sie hinterfragen laut Claudia Christ, Organisationsberaterin aus Spabrücken (Rheinland-Pfalz) oft „die Anweisungen und Entscheidungen ihrer Führungskräfte und wollen eine in ihren Augen plausible Begründung haben, warum gewisse Dinge nötig sind“.

Für die Führungskräfte bedeutet dies: Sie müssen mehr und anders als früher mit ihren Mitarbeitern kommunizieren. „Statt Top-down-Anweisungen ist heute ein Einbeziehen der Beschäftigten in die Entscheidungsprozesse gefragt“, betont Christ. Ist das nicht möglich, müssen die Führungskräfte zumindest akzeptieren, dass die Mitarbeiter nebst ihren Entscheidungen zuweilen auch ihr Verhalten hinterfragen.

In der Theorie ist dies den meisten Führungskräften bewusst, betont Hans-Peter Machwürth. Das bedeutet aber nicht, dass sie im Arbeitsalltag stets das richtige Führungsverhalten zeigen. Oft registriert man, dass Vorgesetzte gerade „in Situationen, in denen sie selbst angespannt sind, eher zu einem autoritären statt partnerschaftlich-kooperativen Führungsstil tendieren“. Dadurch verursachen sie nicht selten „vermeidbare Konflikte“.

 

Die Mitarbeiter „ticken“ sehr verschieden

Im Betriebsalltag registriert man zudem oft: Mit einigen Teammitgliedern haben die Führungskräfte eigentlich nie  Probleme; in der Beziehung zu anderen tauchen hingegen fortwährend Konflikte auf, weshalb die betreffenden Mitarbeiter von ihren Vorgesetzten gedanklich mit dem Etikett „schwierig“ versehen werden.

Analysiert man die Ursachen hierfür, stellt man laut Aussagen des Managementberaters oder Leadership-App-Entwicklers Joachim Simon, Braunschweig, oft fest: Stimmt die Beziehung Führungskraft-Mitarbeiter, dann haben die Führungskräfte meist

  • ein ähnliches Wertesystem wie die Mitarbeiter, mit denen sie gut harmonieren, und/oder
  • ihre Verhaltenspräferenzen korrespondieren mit den Erwartungen, die die Mitarbeiter aufgrund ihres Wertesystems an ihre Führungskraft haben.

Anders ist dies bei den „schwierigen Mitarbeitern“. Sie haben entweder ein anderes Wertesystem als ihre Führungskraft, weshalb ihnen auch andere Dinge wichtig sind. Oder sie haben aufgrund ihres Wertesystems Erwartungen an ihre Führungskraft, die diese aufgrund ihrer Präferenzen nicht erfüllt.

Die unterschiedlichen Wertesysteme kennen

Die divergierenden Wertesysteme und Erwartungen sind im Betriebsalltag meist kein Problem, wenn die Führungskräfte sie kennen. Viele Vorgesetzte sind sich laut Simon aber „nicht mal über ihr eigenes Wertesystem und ihre eigenen Verhaltenspräferenzen bewusst. Und noch weniger ist dies bezogen auf die Mitarbeiter Fall“. Dabei wird dies für ein erfolgreiches Führen immer wichtiger – auch weil heute immer weniger Menschen bereit sind, fraglos irgendwelche nicht selbst gewählten Autoritäten zu akzeptieren.

Möchten Vorgesetzte ihre Mitarbeiter individuell und entsprechend ihrer Wertesysteme führen, müssen sie Simon zufolge Folgendes wissen:

  • Wie „tickt“ mein Mitarbeiter?
  • Wie sieht die Welt durch seine „Brille“ aus?
  • Was braucht er, um seine Leistungsfähigkeit zu entfalten?

Denn nur dann können Führungskräfte ihr Führungsverhalten wirklich dem Gegenüber anpassen. Außerdem können sie nur dann mit jedem Mitarbeiter eine tragfähige Vereinbarung schließen, was dieser braucht, um seine Arbeit als befriedigend, weil sinnstiftend und mit seinem Wertesystem korrespondierend, zu erfahren.

Ronja Siemens

 

Zur Autorin: Die freiberufliche Journalistin Ronja Siemens, Freiburg, ist auf Berufs- und Karrierethemen spezialisiert.

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