Der weltweite Chipmangel dauert an, daher bleibt Taiwans Halbleiterbranche für die Weltwirtschaft von zentraler Bedeutung. In den USA wurde zwar der Chips and Science Act verabschiedet, mit dem Amerikas Wettbewerbsfähigkeit gestärkt werden soll, doch US-Chiphersteller haben bei ihrem Bestreben, die Konkurrenz in Asien zu überholen, noch einen langen Weg vor sich.
In den USA kündigte das Weiße Haus vor Kurzem an, dass zahlreiche Firmen, beflügelt durch ein neues, von beiden Parteien getragenes Gesetz, mit dem Amerikas Wettbewerbsfähigkeit gestärkt werden soll, mehr als 44 Mrd. USD in neue Halbleiterfabriken investieren wollen. Dieses Gesetz soll das Beschäftigungswachstum in den USA ankurbeln und die nationalen Sicherheitsbestrebungen unterstützen. Doch US-Chiphersteller haben bei ihren Anstrengungen, die Konkurrenz in Asien zu überholen, noch einen langen Weg vor sich.
Taiwans Vormachtstellung bei der Halbleiterfertigung kristallisierte sich ab den 1980er-Jahren heraus. Seitdem ist die taiwanesische Halbleiterindustrie massiv gewachsen und inzwischen unverzichtbar geworden. Daher wird sie auch als „Silicon Shield“ für die Insel bezeichnet. Taiwans große Halbleiterschmieden können beeindruckende Größenvorteile vorweisen, was sich unseres Erachtens aktuell in den Kurs-Gewinn-Verhältnissen (KGV) nicht adäquat widerspiegelt. Durch hochmoderne Verarbeitungsfähigkeiten und immense Investitionen haben die Unternehmen hohe Eintrittsbarrieren geschaffen. Aufgrund dieser Stärke des High-Tech-Sektors setzt sich der Aktienindex Taiwans zu mehr als 50 % aus IT-Unternehmen zusammen. Langfristige Trends wie das „Fabless“-Geschäftsmodell der Halbleiterfertigung (Anbieter verfügen nicht über eigene Fabriken, sondern lassen die Halbleiter von Auftragsfertigern herstellen), die wachsende Nutzung von Künstlicher Intelligenz, Elektrofahrzeuge, die kontinuierlichen Entwicklungen im Bereich der digitalen Technologien für „smarte Städte“ sowie das Metaverse verheißen Gutes für Taiwans Technologiebranche. Darüber hinaus liegt das KGV für den FTSE Taiwan Index derzeit bei unter 10x, verglichen mit 12,5x Ende 2021 und 17,9x Ende 2020. Für uns deutet dies darauf hin, dass die abgebildeten Sektoren ebenfalls attraktiv bewertet sein könnten und wesentliche Risiken bereits eingepreist sind.
Viele der führenden Technologieunternehmen der Insel könnten für Druck aus China und den USA anfällig sein, denn sie erwirtschaften in den beiden Ländern einen erheblichen Teil ihrer Umsätze und sind auch in beiden Ländern geschäftlich aktiv. Allerdings haben sie auch große Erfahrung im Management politischer Risiken. „Zu den kurzfristigen Risiken, die Taiwans Technologieunternehmen drohen, gehört unter anderem ein gewisser Kostendruck“, sagt Dina Ting, Head of Global Index Portfolio Management bei Franklin Templeton. Beispielsweise geht es um die Frage, ob die Hersteller von 5G-Komponenten Preissteigerungen an ihre Kunden weitergeben können.
Taiwan ist ein wichtiger Betreiber von Containerschiffen. Der im Süden des Landes gelegene Hafen Kaohsiung fungiert als wichtige Route für die globalen Lieferketten – fast die Hälfte aller Containerschiffe weltweit fährt durch die Gewässer rund um diesen Hafen. Trotz der jüngsten Provokationen hoffte man, dass wieder eine relative Ruhe in der Region einkehren würde, denn laut Schiffverfolgungsdaten, die von Bloomberg zusammengestellt wurden, konnten am 8. August mehr als 30 Seefrachtspediteure ihren normalen Betrieb wieder aufnehmen.
Rund 37 % aller Exporte Taiwans gehen öffentlichen Daten zufolge nach China. Insgesamt sind die Exporte in diesem Jahr gestiegen. Gleichzeitig haben auch Taiwans Importe, von denen fast 19,7 % aus China stammen, im Juli um 9,5 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum zugelegt.
Die florierende Augmented-Reality- und Virtual-Reality-Branche Taiwans könnte eine Brücke zwischen den technologischen und den künstlerischen Talenten des Landes schlagen. Taiwanesische Entwickler und Künstler haben globale Auszeichnungen für die von ihnen gestalteten Virtual-Reality-Inhalte gewonnen. Im Mai eröffnete die Facebook-Muttergesellschaft Meta in Taipei das erste asiatische Forschungszentrum für Extended Reality (XR). Damit können taiwanesische Partner nun stärker dazu beitragen, die globalen Innovationen bei Metaverse-Anwendungen und die zukünftigen Entwicklungen der digitalen Wirtschaft voranzutreiben.
Taiwans Technologiesektor könnte sich mit dem Risiko der Kundenkonzentration und mit zunehmendem Wettbewerb aus Südkorea konfrontiert sehen. Allerdings denken wir, dass Taiwans Unternehmen dank der ausgezeichneten Führungsqualitäten und der disziplinierten Expansionspläne Fortschritte machen können.
Angesichts seiner führenden Position auf wichtigen globalen Märkten ist Taiwan unseres Erachtens weiterhin gut aufgestellt, um im Konzert der ganz Großen mitspielen zu können. Mit einem dedizierten Engagement in Taiwan können Anleger Anpassungen auf Basis ihrer Überzeugungen vornehmen, anstatt sich einfach auf die Ländergewichtungen breiterer Schwellenländerindizes zu verlassen, bei denen China bis zu 35 % und Taiwan 16,5 % ausmachen kann.