Digitaler Euro: Ab wann kommt er und was steckt hinter dem kontroversen EZB-Projekt?

Der digitale Euro ist ein Prestigeprojekt der Europäischen Zentralbank. Trotz intensiver Vorbereitungen haben viele Deutsche noch nie davon gehört. Wir erklären, wie weit die umstrittene EZB-Digitalwährung fortgeschritten ist, welche Ziele die Euro-Notenbank damit verfolgt und was die größten Gefahren von digitalem Zentralbankgeld sind.

Seit rund drei Jahren laufen unter Federführung der Europäischen Zentralbank (EZB) die Vorarbeiten für die Einführung des digitalen Euros. Wir geben einen Überblick zum Status Quo des umstrittenen Geldprojekts und dessen Chancen und Risiken.

Bundesbank-Umfrage: Mehrheit der Deutschen hat noch nie von digitalem Euro gehört

Eines vorneweg: Auf dem Weg zu einem digitalen Euro ist einer neuen Umfrage zufolge noch reichlich Aufklärungsarbeit zu leisten. In einer Forsa-Erhebung für die Bundesbank antwortete eine deutliche Mehrheit (59 Prozent) der Befragten, sie hätten noch nie etwas von diesem Konzept gehört.

Vielleicht gerade wegen dieser mehrheitlichen Unkenntnis zeigte sich rund die Hälfte der Befragten grundsätzlich offen dafür, den digitalen Euro im Alltag als Zahlungsoption zu nutzen. Allerdings äußerten sich fast ebenso viele skeptisch.

Drei Viertel der Befragten legen einen großen Wert auf Privatspähre bei der Verwendung von digitalen Zentralbankwährungen. Die geplante Offline-Version des digitalen Euro, die einen ähnlichen Grad an Datenschutz wie Bargeld bieten soll, finden 59 Prozent sehr wichtig oder wichtig. Einem Großteil der Befragten ist zudem wichtig, dass der digitale Euro auf einer europäischen Infrastruktur beruht und somit unabhängig von etwaigen weltpolitischen Störungen funktioniert.

„Die Zentralbanken des Eurosystems haben keinerlei Interesse an den Daten der Nutzerinnen und Nutzer“, versicherte Bundesbankpräsident Joachim Nagel. „Mit dem digitalen Euro wäre die Privatsphäre deutlich besser geschützt als bei den heutigen kommerziellen Zahlungslösungen.“ Die Umfrage zeige jedoch, dass es „noch viel Informationsbedarf gibt“, so Nagel.

Digitales Zentralbankgeld global auf dem Vormarsch

Die EZB werkelt seit 2021 an einer zentralisierten digitalen Variante der europäischen Gemeinschaftswährung – offiziell als Ergänzung zum Bargeld. Die Euro-Notenbank ist damit nicht allein. Laut der Denkfabrik Atlantic Council arbeiten weltweit 134 Länder beziehungsweise Währungsräume an solchen digitalen Währungen. Demnach befinden sich 19 der G20-Staaten in der fortgeschrittenen Entwicklungsphase ihrer „CBDC“ (Central Bank Digital Currency).

Länder wie Bahamas, Jamaika und Nigeria haben schon offiziell eine staatliche Digitalwährung eingeführt. In einigen der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer wie Russland, Indien, Japan, Südkorea, Brasilien und Australien laufen bereits erste Testprojekte. Die BRICS-Staaten sind besonders aktiv. Das umfassendste Pilotprojekt findet in China statt, wo Zahlungsanbieter und Finanz-Apps dazu animiert werden, schnellstmöglich die notwendige digitale Infrastruktur aufzubauen.

Das führende internationale Zahlungssystem SWIFT berichtete bereits vor mehr als einem Jahr über einen erfolgreichen Test von digitalen Zentralbankwährungen für grenzüberschreitende Zahlungen. Am großen Feldversuch hatten unter anderem die HSBC Hongkong, die UBS sowie die Bundesbank teilgenommen.

Digitaler Euro: Erklärung, Funktionsweise und Ziele

Der Digitale Euro und alle anderen CBDCs sind staatliche Kryptowährungen, die von den Zentralbanken herausgegeben und in einer Blockchain verwaltet werden sollen. Im Unterschied zum heutigen Geld soll sie jeder Bürger in rein digitaler Form auf einem eigenen Zentralbank-Konto halten und für den täglichen Zahlungsverkehr nutzen können. Im Kontrast dazu haben aktuell nur Geschäftsbanken Konten bei der Zentralbank und das digital auf Bankkonten gespeicherte Kundengeld kann jederzeit an Bankautomaten in bar abgehoben werden.

Ein Kernziel der Euro-Notenbank ist, privaten Payment-Anbietern vor allem aus den USA, die derzeit den Markt für digitale Zahlungen in Europa dominieren, ein staatliches europäisches digitales Bezahlangebot entgegenzusetzen. Der digitale Euro „wäre das erste und einzige elektronische Zahlungsmittel, das auf einer europäischen Infrastruktur aufbaut und reibungslos im gesamten Euroraum genutzt werden könnte“, schreibt die Bundesbank.

Wann wird der digitale Euro eingeführt?

Wann genau kommt der digitale Euro? Die EZB ist mit dem Euro-Digitalgeld noch in der Testphase, die laut aktuellem Stand bis Oktober 2025 andauern soll. Bis zur tatsächlichen Einführung würden dann wohl noch einmal drei Jahre vergehen. Praktische Transaktionen mit einer Prototyp-Version des digitalen Euro finden derzeit nur in Testumgebungen statt. Neuigkeiten zum Status Quo hat die Euro-Notenbank für den 16. Juli in Aussicht gestellt. Vielleicht wird dann der Starttermin für ein Pilotprojekt des digitalen Euro bekannt gegeben.

Ein erster entsprechender Gesetzesvorschlag der EU-Kommission wurde indes bereits letztes Jahr im Juni vorgelegt. Der Entwurf sieht vor, dass der digitale Euro den Status eines elektronischen gesetzlichen Zahlungsmittels haben wird, womit es obligatorisch sein würde, ihn als Zahlungsmethode zu akzeptieren. Anfang Januar folgte dann die EZB mit der Veröffentlichung einer ersten Version des Regelwerks, welches die Funktionsweise des digitalen Euros definiert.

Vorteile des digitalen Euro

Besonders attraktiv aus Sicht eines jeden Zentralbankers: Die Währungshüter könnten mithilfe von digitalem Zentralbankgeld jeden Bürger direkt mit frischem Geld versorgen. Diese Form von „Helikopter-Geld“ gab es in der Wirtschaftsgeschichte noch nie. Egal wie expansiv die Notenbanken in der Vergangenheit auch agierten, sie konnten stets nur über indirekte Kanäle (Anleihekäufe, Kreditvergabe an Banken) Einfluss auf die Einkommen der Bevölkerung nehmen.

Zudem bietet der digitale Euro der EZB, der digitale Dollar der Fed und der E-Yuan der Bank of China durch die dauerhafte Speicherung von Zahlungsvorgängen in der Blockchain enorme Überwachungsmöglichkeiten. Mit umfassenden Informationen über das Bezahlverhalten der Bürger lassen sich in Zukunft unter Umständen bessere Prognosen berechnen und darauf basierend geldpolitische Maßnahmen umsetzen. Außerdem ermöglicht es eine solche digitale Währung, den ökologischen Fußabdruck aller Online-Einkäufe viel genauer zu messen.

Manche Volkswirte sehen all dies und zudem Effizienzgewinne bei täglichen Bezahlprozessen als großen Vorteil. CBDCs würden Transaktionen kostenlos, noch schneller, sicherer und effektiver machen und Geldwäsche eindämmen, so die gängigen Versprechungen.

Ein weiterer zentraler Aspekt für die Befürworter des digitalen Euro ist dessen Programmierbarkeit, also die Ausstattung mit Spezialfunktionen. Bestimmte Einheiten des digitalen Euro könnten eine lokale Begrenzung in einem Radius um den Wohnort beinhalten oder die ungesündesten und klimaschädlichsten Produkte vom Kauf ausschließen. Es könnte auch ein zeitliches Ablaufdatum oder ein Negativzins – also ein automatischer Wertverlust beim Horten – implementiert werden, um zu einem schnellen Ausgeben anzuregen und so die Konjunktur zu befeuern.

Welche Nachteile und Gefahren sind mit dem digitale Euro verbunden?

Zahlreiche Notenbanker haben sich inzwischen positiv über diese Programmierungs-Option geäußert, wobei manchmal ein wenig beschwichtigt wird – nach dem Motto, man werde diese Funktion nur für sinnvolle Zwecke oder gar nicht nutzen. Vonseiten der EZB erfolgte bislang noch kein offizielles Bekenntnis zur Programmierbarkeit des digitalen Euro, aber es wäre naiv, langfristig etwas anderes anzunehmen.

Im deutschen Innenministerium, genauer gesamt dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, kursiert hierzu ein interessantes Papier. Die im Januar veröffentlichte technische Richtlinie soll Anbietern sowie Entwicklern von CBDC-Bezahlsystemen als Leitfaden für eine sichere Implementierung dienen. Digitales Zentralbankgeld soll demnach in gewissem Maße programmierbar sein.

Unter anderem ist die Rede davon, Zahlungen zu verbieten, „wenn eine Brieftasche, die nur für bestimmte Zwecke ausgegeben wurde, außerhalb ihres zulässigen Bereichs verwendet wird.“ Außerdem soll die Zentralbank, also die EZB, konstant über das staatliche Digitalgeld verfügen – und dieses somit auch einziehen können. Auf Seite 10 steht wörtlich: „Die Zentralbank kann CBDC-Noten widerrufen, zum Beispiel als Instrument der Geldmengenkontrolle. Der Widerruf von CBDC-Noten wird von einer autorisierten Stelle, der Widerrufsbehörde, durchgeführt, die von der Zentralbank kontrolliert und betrieben wird.“ Je nach Sichtweise kann man das als Vor- und Nachteil des digitalen Euros interpretieren.

Schreibe einen Kommentar