Konsumgüter-, Gebrauchsgüter- oder Investitionsgüter-Verkäufer?

Verkäufer von Investitionsgütern wie Computer- und Produktionsanlagen sowie von komplexen Dienstleistungen wie Wartungsverträgen brauchen andere Fähigkeiten als Brötchenverkäufer – unter anderem, weil sich der Verkaufsprozess bei diesen „Gütern“ oft über Monate, teils sogar Jahre erstreckt. Deshalb müssen deren Verkäufer auch strategisch und taktisch fit sein.

Verkaufen ist verkaufen. Diesen Eindruck gewinnt man bei der Lektüre vieler Fachbücher zum Thema Verkauf. Nur selten wird in ihnen differenziert, ob der Verkäufer Schuhe oder Computeranlagen, Würstchen oder Wartungsverträge verkauft. Auch ob er im Außen- oder Innendienst tätig ist, scheint gleichgültig zu sein.

 

Einen ähnlichen Eindruck vermitteln viele Seminarprospekte. In ihnen beschränkt sich die Zielgruppendefinition meist auf Formulierungen wie „Verkäufer und Führungskräfte im Verkauf“. So als könnten alle, die das kleine Einmaleins des Verkaufens beherrschen, jedes Produkt verkaufen: Brötchen und Unterhosen, Produktionsanlagen und Düsenjets.

 

Im Verkaufsalltag  zeigt sich jedoch: Verkäufer von Computer- und Produktionsanlagen brauchen andere Fähigkeiten als Brötchenverkäufer. Und eine andere Persönlichkeit – unter anderem aufgrund der unterschiedlichen Erklärungsbedürftigkeit der „Produkte“.

 

 

Verkaufen ist nicht gleich verkaufen

 

Wozu ein Brötchen gut ist, wissen alle Bäckereikunden. Also benötigen sie kaum Beratung. Entsprechend kurz ist der Verkaufsprozess bei Backwaren. Oft vergehen nur ein, zwei Minuten bis der Kunde wieder vor der Ladentür steht. Entsprechend gering sind die Anforderungen an „Bäckerei-Fachverkäufer“. Sie beschränken sich weitgehend darauf, die Kunden freundlich zu bedienen und abzukassieren.

 

Anders ist dies bei Konsum- und Gebrauchsgütern sowie Dienstleistungen, die Kunden nur sporadisch kaufen – zum Beispiel hochwertige Kosmetika und Computer, aber auch Finanzdienstleistungen. Bei ihnen wünschen die Kunden meist mehr Beratung. Denn nicht jede Person weiß zum Beispiel, wie schnell der Prozessor eines PCs sein sollte, damit komplexe Computerspiele darauf problemlos laufen.

 

Entsprechend unsicher sind Kunden oft beim Kauf solcher Produkte und Dienstleistungen. Auch weil sie hierfür tiefer als für Brötchen in ihr Portemonnaie greifen müssen und sich nicht selten – wie zum Beispiel beim Abschluss einer Lebensversicherung – langfristig vertraglich binden. Deshalb dauert der Kaufentscheidungsprozess länger und die Verkäufer müssen höhere Anforderungen erfüllen. Sie müssen zum Beispiel den Bedarf der Kunden gezielt erfragen können – damit sie ihnen die richtigen Produkte offerieren und deren Nutzen bildhaft vor Augen führen können. Sie sollten den Kunden zudem das Gefühl vermitteln können: „Genau dieses Produkt brauche ich.“ Sonst ist die Gefahr groß, dass die Kunden nach der Beratung mit einem „Ich überlege es mir noch einmal“ auf Nimmerwiedersehen verschwinden.

 

 

Königsdisziplin: B2B-Vertrieb

 

All diese Fähigkeiten brauchen auch Business-to-Business-, kurz B2B-Verkäufer – also die Verkäufer von Industriegütern und -dienstleistungen; unabhängig davon, ob sie Computer- oder Produktionsanlagen, Wartungsverträge oder Sicherheitskonzepte an Unternehmen (oder staatliche Einrichtungen) verkaufen. Doch dies allein genügt nicht. Denn mit solchen Investitionsentscheidungen wollen ihre Kunden meist strategische Ziele erreichen  Deshalb hat eine Fehlinvestition für sie oft fatale Folgen. Entsprechend groß sind bei solchen Investitionen das von den Kunden empfundene Kaufrisiko und ihr Beratungsbedarf.

 

Hinzu kommt: An solchen Kaufentscheidungen ist in der Regel eine Vielzahl von Personen beteiligt – direkt oder indirekt. Die Mitglieder des sogenannten Buying-Centers haben meist unterschiedliche Interessen. Den Kundenbetreuern ist zum Beispiel beim Kauf eines Computersystems vor allem wichtig, dass es einfach zu bedienen ist. Die Techniker hingegen möchten vor allem, dass wenig Wartungsarbeiten anfallen. Und achtet der Chefeinkäufer primär auf den Preis, erwartet der Leiter der Abteilung Unternehmensentwicklung, dass das System mit dem Unternehmen wachsen kann. All diese sich häufig teils widersprechenden Interessen muss der Verkäufer erkennen und so gut wie möglich befriedigen. Denn nur dann entscheiden die Mitglieder des Buying-Centers letztendlich: Dieses Produkt, diese Problemlösung kaufen wir.

 

 

Verkäufer sind „beratende Consultants“

 

Diese Aufgabe überfordert einzelne Verkäufer oft – auch weil beim Planen und Verkaufen solcher meist auf den individuellen Kundenbedarf zugeschnittener Problemlösungen viele technische Details und Verfahrensfragen zu klären sind. Deshalb sind an den Verkaufsverhandlungen oft ganze Gruppen von Mitarbeitern mit unterschiedlichen Qualifikationen beteiligt – auf der Einkäufer- und der Verkäuferseite. Entsprechend lange dauert der Verkaufsprozess. Er erstreckt sich nicht selten über Jahre – und in ihm gilt es stets neue Hindernisse aus dem Weg zu räumen; auch weil sich im Prozessverlauf die Kundenanforderungen an die „Problemlösung“ oft verändern.

 

Solche Verkaufsprozesse sind letztlich komplexe Projekte. Also benötigt man für ihr Management ein Drehbuch, das die Einzelmaßnahmen aufeinander abstimmt und die Risiken berücksichtigt, aus denen Probleme entstehen könnten.

 

„Verkäufer“, die in solchen Projekten mitarbeiten, müssen „verkaufende Consultants“ sein, denn ohne ein solides Fachwissen werden sie vom Gegenüber als Gesprächspartner nicht akzeptiert. Sie müssen zudem „Beziehungsmanager“ sein – Persönlichkeiten also, die den Kontakt zum potenziellen Kunden gezielt gestalten. Denn je länger ein Verkaufsprozess dauert umso größer ist die Gefahr, dass die Beziehung zwischenzeitlich abreißt. Zudem müssen die Verkäufer immer wieder die erforderlichen Impulse setzen, damit der Entscheidungsprozess beim Kunden voranschreitet. Ohne Planung gelingt dies nicht. Denn einerseits gilt es dem Kunden das Gefühl zu vermitteln „Hier ist jemand, der sich für mich interessiert“; andererseits darf bei ihm nicht das Gefühl entstehen „Ich werde zu einer Entscheidung genötigt.“

 

 

Ziel: den Kunden zur Kaufentscheidung führen

 

Den Kunden gezielt zur Kaufentscheidung zu führen, erfordert auch taktisches Geschick, denn der (Informations-)Bedarf des Kunden verändert sich im Verlauf des Kaufentscheidungsprozesses. Je weiter er fortgeschritten ist, umso zugespitzter sollten die Informationen auf dessen spezifischen Bedarf sein. Genügen dem Kunden am Anfang allgemeine Produktinfos, so möchte er unmittelbar vor der Kaufentscheidung zum Beispiel genau wissen:

  • Welche Vor- und Nachteile ergeben sich für mich, wenn ich mich für diese Systemkonfiguration entscheide? Und:
  • Welche Unterstützung erhalte ich nach dem Kauf, wenn sich in der Alltagsarbeit Probleme ergeben?

 

Erhält der Kunde diese Informationen nicht, erlahmt sein Interesse. Ähnlich verhält es sich, wenn er zu früh mit Details überhäuft wird, die er noch nicht braucht. Dann fühlt er sich überfordert. Also benötigen die Verkäufer ein feines Gespür dafür, wie weit die Kaufentscheidung beim Kunden fortgeschritten ist und welche Informationen und Unterstützung er gerade wünscht.

 

Dieses Gefühl entwickeln sie nur, wenn sie permanent im Dialog mit dem Kunden stehen. Dies ist auch nötig, weil sich im Verlauf des Kaufentscheidungsprozesses oft die Bedürfnisse des Kunden ändern. Oder die Entscheidungsstrukturen im Unternehmen. Oder die Marktsituation. All diese Dinge können die oft monate- oder gar jahrelange Arbeit von Verkäufern im Handumdrehen zunichte machen – sofern sie solche Änderungen nicht rechtzeitig registrieren und darauf angemessen reagieren.

Peter Schreiber

 

Zum Autor: Peter Schreiber ist Inhaber des auf den B2B-Vertrieb spezialisierten Trainings- und Beratungsunternehmens PETER SCHREIBER & PARTNER, Ilsfeld (Internet: www.schreiber-training.de). Er ist Dozent beim ZfU Business International School, Thalwil bei Zürich, und Lehrbeauftragter an der Hochschule Mannheim.

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