Kanada zieht nach, Amerika stagniert

Der aktuelle Neuwirth Finance Zins-Kommentar

Die kanadische Notenbank erhöhte überraschenderweise in der vorletzten Woche bereits zum zweiten Mal dieses Jahr ihre Leitzinsgröße und liegt nun in etwa gleichauf mit dem Nachbar USA. Die amerikanische Notenbank hingehen entschied in ihrer Sitzung letzte Woche Mittwoch den veranschlagten Zinskorridor nicht weiter anzuheben. Mit der Entscheidung der Bank of Canada ist zwar ähnlich wie in den USA der Abschied von einer ultralockeren Geldpolitik eingeleitet, aber noch längst keine Zinswende. Erfahren Sie in der heutigen Ausgabe des Zinskommentars, worauf die Zinsanhebung in Kanada sich stützt und warum die Federal Reserve (Fed) noch zögert die Zinsen weiter anzuheben.

Markt-Monitoring und Ausblick

Kurzfristiger Zins: Der 3-Monats-Euribor verändert sich unwesentlich. Er steht heute bei – 0,329%. Ein leichtes Abfallen in Richtung -0,4 % halten wir nach wie vor für sehr wahrscheinlich. Dies ist der aktuelle Stand der Einlagenfazilität der EZB.

Langfristiger Zins: Der 10jährige SWAP-Satz pendelt wieder nach oben und liegt derzeit bei 0,79 %. Wir erwarten weiterhin niedrige SWAP-Sätze zwischen 0,20% – 1,00%.

 

Kanada zieht nach, Amerika stagniert

Kanada kündigte ein Ende der ultralockeren Geldpolitik im Juni an, doch wohl niemand hat mit einer so schnellen Anpassung gerechnet. Binnen weniger Wochen stieg der Leitzins aufgrund von soliden Arbeitsmarktdaten und starkem Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent auf nun 1 Prozent (vgl. Abbildung 1). So wird besonders der boomende Immobilienmarkt in Schach gehalten, auch wenn das Wachstum von 4,5 Prozent im letzten Quartal nicht wirklich Anlass zur Sorge gibt. Ebenso ignorierte die kanadische Notenbank bewusst die Aufwertung des Kanadischen Dollars (Loonie), die seit Mai 2017 zu beobachten ist (vgl. Abbildung 1). Viele kanadische Exportunternehmen rechnen in Dollar ab, womit die Ausfuhren durch den schwachen Dollar quantitativ eher gestärkt werden könnten, wohingegen die Gewinne in Loonie gedrückt werden. Am Ende bleibt es wohl ein Nullsummenspiel, womit der sonst negative Effekt einer zu starken Währung auf die Exporte wahrscheinlich in diesem Fall vernachlässigbar ist.

Abbildung 1: Leitzins in Kanada und Wechselkurs gegenüber Dollar

Quelle: Bank of Canada

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In den USA zieht sich der Abschied von einer ultralockeren Geldpolitik nun schon fast über zwei Jahre. Die Anpassung erfolgt nur sehr langsam und behutsam, um bloß nicht Gefahr zu laufen den Aufwärtstrend in eine Rezession umzukehren. Dieses Jahr erhöhte die Fed den Zinskorridor bereits zwei Mal. Derzeit liegt dieser bei 1 Prozent und 1,25 Prozent (vgl. Abbildung 2). Wie wir bereits berichteten, plant die Fed die angehäuften Anleihen im Wert von 4,5 Billionen Dollar langsam abzustoßen bzw. auslaufende Anleihen nicht zu ersetzen. Dies soll nun offiziell im Oktober dieses Jahres beginnen. Damit ist ein weiter Schritt gen geldpolitischer Normalisierung getan. Das Tempo der bilanziellen Verkleinerung ist noch nicht beschlossen. Die Fed plant in etwa 10 Milliarden Dollar weniger pro Monat für Anleihen auszugeben. Bis in zwei Jahren sollen es in etwa 50 Milliarden Dollar sein. Die Anpassung wird langsam erfolgen, um den Markt nicht zu sehr zu schocken. Die Ankündigung ließ die Börse bislang kalt.

Abbildung 2: Leitzinssätze in den USA

Quelle: Federal Reserve of St. Louis

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Vertraut man den Projektionen der Fed liegt der Federal Funds Rate Ende 2019 bei 2,7 Prozent und Ende 2020 bei 2,9 Prozent. Behält die amerikanische Notenbank ihr bisheriges Tempo bei und die Wirtschaftsdaten bleiben unverändert, ist für nächstes Jahr mit drei weiteren Zinsanhebungen zu rechnen. Ob sich die Fed noch dieses Jahr durchringt den Zinskorridor anzuheben, wird sich wohl erst im Dezember entscheiden. Kanada und die USA nutzen nie Gunst der Stunde und verabschieden sich langsam von allen unkonventionellen Maßnahmen nach der Krise.  Die Währungsunion scheint zu einem Dauerpatienten zu werden, die ohne die „lebensnotwendigen“ Medikamente der Europäischen Zentralbank nicht stabil bleiben kann. Nichtsdestotrotz angesichts der Projektionen der Fed sind die Tage von Zinsen über 4 Prozent ausgezählt.

 

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