P&R-Gruppe: Stand Insolvenzverfahren und Anlegerklagen

Die Insolvenz der P&R- Gruppe gilt als einer der größten Anlegerskandale der Bundesrepublik Deutschland in jüngerer Zeit. Ob das so ist, sei einmal dahingestellt. Hier geht es darum, kurz die Insolvenz, viel mehr aber die Entwicklung in der deutschen Rechtsprechung zu Klagen geschädigter Anleger gegen ehemalige Vermittler der P&R- Anlagen darzustellen.

Zu P&R selbst folgendes:

Der Name besteht seit Gründung der P&R GmbH durch Heinz Roth im Jahr 1975. Die P&R- Gruppe bestand aus mehreren Firmen, die rechtlich zwar selbständig, wirtschaftlich jedoch miteinander verbunden waren. Die Firmen waren in Grünwald bei München resp. in Zug in der Schweiz ansässig. Mit verschiedenen Angeboten bot die Gruppe dem interessierten Publikum den Kauf von neuen oder gebrauchten Schiffscontainern an, die jeweils zurückgemietet wurden. Zudem wurde Rückkaufsabsicht nach Ablauf der Mietzeit in Aussicht gestellt.

Im Containerbestand soll ab ca. 2007 eine erhebliche Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit geklafft haben, sprich seit Jahren wurden Container verkauft, die gar nicht existierten. Das führte zu einem dinglichen Arrest, den eine bekannte deutsche Anlegerschutzkanzlei beim Landgericht München I gegen Heinz Roth erstritt, und zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München I und zu Untersuchungshaft für Herrn Roth im September 2018. Heinz Roth starb am 14.12.2019 im Alter von 77 Jahren.

Seit Frühjahr 2018 sind die vier deutschen Firmen der P&R-Gruppe insolvent. Das Amtsgericht München hat im Juli 2018 die Insolvenzverfahren förmlich eröffnet und den Münchener Rechtsanwalt Dr. Michael Jaffé zum Insolvenzverwalter bestimmt. Herr Dr. Jaffé erklärte, daß die Verpflichtungen zu Mietzahlungen aus den Verträgen nicht mehr erfüllt werden konnten, und schuf damit gemäß § 103 Abs. 2 Satz 1 der deutschen Insolvenzordnung (InsO) die Voraussetzung, daß die geschädigten Anleger ihre Ansprüche zur Insolvenztabelle der jeweiligen P&R- Gesellschaft anmelden konnten.

Ende April 2019 sollen laut der Kanzlei Dr. Jaffé bereits 110 Mio. € an Geldern der deutschen P&R- Gesellschaften für die Anleger gesichert worden sein aus der Fortführung des vorhandenen Containergeschäfts bei der Schweizer P&R- Gesellschaft, per April 2020 bereits 325 Mio. €. Angepeilt wird für die gesamte Dauer des Insolvenzverfahrens eine Milliarde €. Eine erste Abschlagszahlung wurde für das Jahr 2020 angekündigt.

Zur Vereinheitlichung der zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen unterbreitete der Insolvenzverwalter Ende April 2019 einen Vergleichsvorschlag, auf dessen Basis die Schadensbeträge einheitlich zur Tabelle festgestellt werden sollten. Verbunden mit dem Angebot war das Erfordernis einer Vereinbarung zu Verjährungshemmung für beide Seiten.

Der Insolvenzverwalter ist nach wie vor mit der Abwicklung der P&R- Firmen, insbesondere mit dem Verkauf der Container beschäftigt. Die Prüfung der Forderungen der geschädigten Anleger soll bis Herbst 2020 abgeschlossen sein. Voraussetzung ist aber, daß allen Anlegern der Vergleich zumindest angeboten wurde und daß darüber in einem Prüfungstermin vor dem Insolvenzgericht befunden wurde.

Viele geschädigte Anleger haben Vermittler auf Schadensersatz verklagt. Sie halten den Vermittlern vor, die Anleger nicht zureichend über die Risiken einer P&R- Anlage aufgeklärt zu haben.

Das zu beurteilen ist stets eine Frage des Einzelfalles, aber ein paar grundlegende Entwicklungen in der deutschen Rechtsprechung sollen hier dargestellt werden.

Gleichgültig, ob der Kunde oder der Vermittler den Anfang macht: Bekundet der Anleger, und sei es auch nur durch schlüssiges Verhalten, sich auf einen Rat/ eine Auskunft des Vermittlers beim Abschluß der in Rede stehenden Kapitalanlage zu verlassen, kommt mindestens ein sogenannter Anlagevermittlungsvertrag zustande, so die ständige Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofes. In dessen Rahmen ist der Vermittler mindestens verpflichtet, die angebotene Anlage einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen und über alle Risiken zu informieren, sei es durch mündlich Aufklärung oder rechtzeitige Übergabe aussagekräftiger Unterlagen.

So haben vereinzelt Landgerichte in der ersten Instanz Klagen gegen Vermittler zugesprochen, wenn das Gericht es als erwiesen ansah, daß der Vermittler den Anleger bei Abschluß der ersten Anlage nicht über das Risiko des Totalverlustes der Container informiert habe (so z. B. das Landgericht Stuttgart mit Urteil vom 27.11.2019) oder Mieten als „garantiert“ in Prospekten und Vermittleraussagen bezeichnet wurden trotz fehlender Ausfallsicherung und erheblichen Risiken von Verlust, Mietausfall etc. (LG Erfurt, Urteil vom 22.02.2019). Dann soll der Anlagevermittler auch für alle Folgeanlagen haften; im Falle des LG Stuttgart allerdings ausdrücklich nicht mehr für eine Anlage aus 2017, bei welcher der Anleger das „VIB“ Vermögensanlagen- Informationsblatt von P&R kannte, in dem seit ca. 2015/2016 das Totalverlustrisiko ausdrücklich benannt war. Das LG Bremen hält – hiesiger Auffassung nach viel zu weitgehend – sogar den im Prospekt bei späteren Anlagen ausgewiesenen Umstand, daß Eigentumszertifikate nur noch auf Kundenanforderung erteilt würden und der Eigentumsübertragungsvorgang  90 Tage dauere – für aufklärungspflichtig, dies trotz der Tatsache, daß in Zeichnungsscheinen die Möglichkeit offeriert wurde, dies durch einen Treuhandvertrag wirtschaftlich „wegzudrücken“.

Die überwiegende Mehrheit der zu P&R-Anlagen in der deutschen Rechtsprechung ergangenen Urteile geht überdies davon aus, daß für Erstanlagen etwaige Ansprüche in jedem Fall verjährt sind (bei entsprechendem Alter der Anlage) und für Folgeanlagen ein Auskunftsvertrag gar nicht mehr zustande gekommen ist.

Grund dafür ist eine – aus früherer Vermittlersicht wohl als Perfidie angesehene, heute als Glücksfall zu bezeichnende – Besonderheit in der Art und Weise des Vertriebs von P&R- Anlagen.

P&R hat nämlich jeden vermittelten Kunden, der einmal eine Anlage abgeschlossen hat, fortan als eigenen (P&R-) Bestandskunden betrachtet und Folgeangebote direkt an die Kunden in Ausgang gebracht, quasi an den Vermittlern vorbei. Provisionen für solche Folge- Anlagen wurden daher den Vermittlern auch nicht mehr bezahlt.

Wer als Vermittler beim Abschluß solcher Folgeanlagen überhaupt noch tätig war und zumeist lediglich administrative Hilfestellung geleistet hat, steht in der Haftungsfrage heute grundsätzlich nicht schlecht da.

Denn die herrschende Meinung in der Rechtsprechung (z. B. LG Ansbach, Urteil vom 27.11.2018; LG Augsburg, Urteile vom 24.10.2019 und vom 18.03.2020; LG Dessau-Roßlau, Urteil vom 08.01.2019, Landgericht Flensburg, zwei Urteile vom 08.03.2019, LG München I, Urteil vom 27.11.2019) ist der Auffassung, daß für Folgeanlagen, die auf Initiativ-Angeboten von P&R- Firmen an Bestandskunden fußten und bei denen Vermittler nur noch beim Ausfüllen und Weiterleiten solcher Zeichnungsscheine tätig waren, keine Haftungsgrundlagen bestehen, weil es sich um sog. „execution only“- Geschäft gehandelt hat.

Die Urteile des LG Ansbach und des LG Dessau-Roßlau sind von den Oberlandesgerichten Nürnberg (Urteil vom 24.03.2020) und Naumburg (Urteil vom 15.05.2019) bestätigt worden.

Zudem hat das OLG Oldenburg zunächst mit Hinweisbeschluß vom 14.05.2020 und schlußendlich mit endgültigem Beschluß vom 24.06.2020 eine Berufung eines P&R- Anlegers gegen ein klagabweisendes Urteil des Landgerichts Oldenburg zurückgewiesen, weil die Klägerseite nicht dargelegt habe, daß der Anlagevermittler seine Pflicht zur Plausibilitätsprüfung verletzt habe, die klägerseits bemängelten Risiken seien zudem in Aufklärungsbroschüren erwähnt.

Derzeit geht der Trend in der Rechtsprechung also eher dahin, Anlegerklagen gegen Vermittler abzuweisen, insbesondere, soweit es um Folgeanlagen geht.

Ob das so weitergeht, bleibt abzuwarten. Entscheidungen des OLG Thüringen und des OLG Stuttgart stehen an.

Möglicherweise wird sich irgendwann auch der Bundesgerichtshof höchstrichterlich mit der Angelegenheit P&R befassen müssen.

Rechtsanwalt Prof .Dr. Klaus F. Bröker              Rechtsanwalt Markolf Schmidt
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