Der aktuelle Neuwirth Finance Zins-Kommentar
Oft wurde in den Anfängen der Coronakrise darüber spekuliert, wie sich die Pandemie auf den Immobilienmarkt auswirkt. So erwartete beispielsweise das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) einen Preisverfall von bis zu 12 Prozent in den 50 größten deutschen Städten. Lange existierten keine verlässlichen Daten, die den tatsächlichen Verlauf der Immobilienpreise aufzeigen. Das hat sich mit der Veröffentlichung von Daten des Statistischen Bundesamtes (Destatis) am 24. September geändert. Erfahren Sie in der heutigen Ausgabe des Zinskommentars mehr über die Entwicklungen am deutschen Immobilienmarkt und die damit im Zusammenhang stehenden Hintergründe.
Markt-Monitoring und Ausblick
Kurzfristiger Zins: Der 3-Monats-Euribor stieg bis Mitte März auf – 0,161% und fällt seit Anfang Mai auf aktuell – 0,498%. Die überdurchschnittlich starke Kapitalnachfrage von staatlicher und nichtstaatlicher Seite hat sich wieder gelegt. Bis Ende 2020 erwarten wir wieder einen leichten Zinsrückgang in Richtung – 0,50%.
Langfristiger Zins: Der 10jährige SWAP-Satz/3M steht derzeit bei – 0,27%. Mit Sicht auf die nächsten 6-12 Monate rechnen wir eher weiterhin mit negativen, 10-jährigen SWAP-Sätzen.
Kein Ende des Immobilienbooms in Sicht!
Auch wenn es einige überrascht, lagen laut Destatis die Preise für Wohnimmobilien (Wohnungen sowie Ein- und Zweifamilienhäuser) in Deutschland im 2. Quartal 2020 durchschnittlich 6,6 Prozent höher als im 2. Quartal 2019. Damit trotzt der deutsche Immobilienmarkt den teils düsteren Prognosen und setzt den Wachstumstrend weiter fort. Allein in den letzten fünf Jahren stiegen die Wohnimmobilienpreise um stolze 36 Prozent (Siehe Abbildung 1).
Abbildung 1: Häuserpreisindex (2015=100)
Quelle: Destatis (2020); eigene Darstellung
Doch nicht alle Regionen profitierten im gleichen Maße, weshalb es sich lohnt zu differenzieren. So stiegen die Preise für Wohnimmobilien in den sieben größten Metropolen (Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Stuttgart und Düsseldorf) weniger stark als in anderen Großstädten ab 100.000 Einwohnern (Siehe Tabelle 2). Den stärksten Wertzuwachs verzeichnen Ein- und Zweifamilienhäuser in dichter besiedelten ländlichen Kreisen (8,9 Prozent). Zudem lässt sich eine abnehmende Dynamik bei Wohnungen in den Metropolen beobachten. Die Veränderungsrate zum Vorjahresquartal hat im 2. Quartal 2019 noch 7,9 Prozent betragen und im 2. Quartal 2018 gar 11 Prozent.
Abbildung 2: Preisentwicklung nach Regionen (2. Quartal 2020 gegenüber 2. Quartal 2019)
Quelle: Destatis (2020)
Doch wie lässt es sich erklären, dass die Immobilienpreise trotz einer der stärksten Rezessionen in der Nachkriegszeit weiter steigen? Bei der Suche nach einer Erklärung lässt sich feststellen, dass dies nicht an einem einzigen Faktor festgemacht werden kann. Zum einen war es noch nie günstiger Immobiliengeschäfte zu finanzieren. Zum anderen betrachten viele Marktteilnehmer den Immobilienmarkt als sichere Anlage mit solider Rendite – ein lohnendes Geschäft in Zeiten von Niedrigzinsen und volatilen Aktienmärkten. Darüber hinaus besteht immer noch ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage, insbesondere in den Ballungsräumen. Dieses Ungleichgewicht könnte sich vor allem in den Vorstädten bemerkbar machen, da in Folge der Coronakrise immer mehr Leute weniger eng wohnen und leben möchten.
Unglücklicherweise vernachlässigt die Erhebung von Destatis die Preise für Büroimmobilien, obwohl gerade dieses Segment am stärksten dem Risiko von sinkenden Preisen ausgesetzt ist (Neben Einzelhandelsflächen). Im Zuge der Coronakrise begaben sich viele Beschäftigte in die eigenen vier Wände, um zu arbeiten. Das derzeitig erzwungene Homeoffice könnte sich zu einem dauerhaften Trend entwickeln, da Unternehmen Mietkosten sparen können bei im Zweifel gleichbleibender Produktivität und erhöhter Flexibilität. Wann genau, und ob dieser Effekt eintreten könnte, hängt nicht nur von den derzeitigen Erfahrungswerten ab, sondern auch von der Laufzeit der Mietverträge, die häufig über eine Dauer von fünf bis zehn Jahren abgeschlossen werden. Das IW erachtet bereits für dieses Jahr einen Preisverfall von bis zu 35 Prozent für möglich.