Einer der Hauptgründe für die Investition in festverzinsliche Wertpapiere war bisher ihre Stabilisierungsfunktion für das gesamte Anlageportfolio. Angesichts der weiter sinkenden Renditen stellt sich jedoch die Frage, ob Kernanleihen diese Portfolioabsicherung noch gewährleisten können.
Fundamentaldaten
Obwohl die Zukunft weiterhin mit Unsicherheiten behaftet ist, steht eines fest: Die Zentralbanken werden ihre lockere Geldpolitik noch längere Zeit beibehalten. Für die USA ist es allerdings sehr ungewöhnlich, dass die Federal Reserve (Fed) nun einen durchschnittlichen Inflationsrichtwert anstrebt. In den letzten 50 Jahren gab es nämlich nur 22 Monate, in denen der Preisindex für die persönlichen Konsumausgaben tatsächlich das Niveau von 2 % erreichte oder überschritt. In anderen Ländern haben Zentralbanken wie die Reserve Bank of Australia angedeutet, dass eventuell weitere Zinssenkungen bevorstehen, während die Bank of England nach wie vor über negative Zinssätze nachdenkt. Unabhängig vom jeweiligen Lockerungsinstrument ist klar, dass die Geldpolitik die Renditen weiterhin begrenzen wird. Auch die jüngste Entwicklung der Viruspandemie signalisiert, dass die Renditen von Staatsanleihen in nächster Zeit wahrscheinlich nicht stark steigen werden. Angesichts der höheren Fallzahlen wiesen die Hochfrequenzindikatoren zuletzt eine verlangsamte Aktivität aus. Diese Dynamik beginnt sich auf die Wirtschaftsdaten auszuwirken, da die Einkaufsmanagerindizes im Dienstleistungsbereich in den USA und Europa rückläufig sind.
Quantitative Bewertung
Auch wenn Staatsanleihen der Industrieländer vielleicht nicht mehr die gleiche Absicherung bieten wie früher, haben sie im vergangenen Monat immerhin positive Renditen erzielt, während die Aktienmärkte abgestraft wurden. Als sich die positive Dynamik der Aktienkurse im September umkehrte, sodass der S&P 500 Index im Monatsverlauf eine Performance von -3,8 % einfuhr, verbuchten Staatsanleihen der Industrieländer im gleichen Zeitraum einen Gesamtertrag von 0,7 %. Insbesondere deutsche Bundesanleihen – die zu Monatsbeginn mit einer Rendite von -0,4 % für 10-jährige Titel notierten – erzielten eine Wertentwicklung von 1,0 %, ein Beleg dafür, dass sogar Anleihen mit negativer Rendite als Portfolioballast dienen können. Die Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen liegen mit 0,68 % zwar am unteren Ende unserer erwarteten Spanne von 0,5–1,0 %, aber Impulse wie weitere fiskalische Anreize, ein Impfstoff oder ein Ende der Wahlunsicherheit in den USA, die einen deutlichen Anstieg bewirken würden, werden wahrscheinlich erst später im Quartal einsetzen. (Stand aller Daten: 30. September.)
Staatsanleihen erzielten während des Ausverkaufs von Risikoanlagen im September positive Renditen
Technische Daten
Die technischen Faktoren tragen ebenfalls zum günstigen Umfeld für Staatsanleihen bei. Die massiven Anleihenkaufprogramme der Zentralbanken haben mehr als bewiesen, dass sie die erhöhte Emission von Staatsanleihen zur Finanzierung der Fiskalausgaben absorbieren können. In den USA sieht sich die Fed auch für die Aufrechterhaltung eines funktionierenden Marktes zuständig. Jegliches Anzeichen dafür, dass US-Staatsanleihen keine Absicherung bieten – wie etwa zu Beginn der globalen Einschränkungsmaßnahmen, als die Renditen zehnjähriger Papiere zwischen dem 9. und 18. März um 65 Basispunkte stiegen, während die Aktienkurse um fast 20 % einbrachen – wird die Fed wahrscheinlich zu weiteren Maßnahmen veranlassen.