Deutschlands Ausstieg aus der Atomkraft ist eine Herausforderung für den Klimawandel

Kommentar von Katharine Neiss, Chefvolkswirtin Europa bei PGIM Fixed Income

Angesichts der relativ hohen Pro-Kopf-CO2-Emissionen hat der Übergang zu einer emissionsärmeren Wirtschaft eine erhebliche Tragweite. Zum Beispiel steht Deutschland – der größte Wirtschaftsmotor in der Eurozone – vor einem besonders schwierigen Unterfangen, da das Land relativ viel CO2 emittiert und an seiner Entscheidung zum Ausstieg aus der Atomkraft festhält. Die Initiative findet jedoch in Politik und Bevölkerung breite Unterstützung. Vor diesem Hintergrund hat die Eurozone mehrere ehrgeizige Initiativen konzipiert, die den makroökonomischen Ausblick für die kommenden Jahre beeinflussen werden. Der im Jahr 2019 angekündigte European Green Deal zielt zum Beispiel darauf ab, Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent der Welt zu machen, während der Sustainable Europe Investment Plan vorsieht, über das nächste Jahrzehnt eine Billion Euro zur Unterstützung nachhaltiger Investitionen bereitzustellen.

Darüber hinaus wird das Ziel der Klimaneutralität immer stärker im Gefüge der europäischen Institutionen verankert. Die europäische Zentralbank (EZB) unter Leitung der Notenbankchefin Lagarde wird im Rahmen ihrer Geldpolitik auch den Klimawandel als Teil ihrer Verpflichtung zur Wahrung der Preisstabilität berücksichtigen. Notenbankpräsidentin Lagarde unterstrich kürzlich erneut die Bedeutung des Klimawandels und bezeichnete ihn als „missionskritisch“. Mögliche Schwerpunkte könnten bei bestehenden Aktivitäten gesetzt werden, zum Beispiel durch den Kauf von „Green Bonds“ im Rahmen der Asset Purchase Facility der EZB, durch Rückführung der Käufe kohlenstoffbezogener Vermögenswerte und durch die Ausrichtung des Besicherungsrahmens auf Klimaschutzziele.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-Pandemie und die drohenden langfristigen wirtschaftlichen Schäden haben Europas Klimaambitionen zusätzlichen Schwung verliehen. Der neuere europäische Wiederaufbaufonds „Next Generation EU“ könnte bis 2024 innerhalb der Eurozone für 2% mehr Wirtschaftswachstum sorgen. Die damit verbundene Emission von EU-Anleihen, die zu 30% aus „Green Bonds“ bestehen, stellt einen wichtigen Meilenstein für die Entwicklung der europäischen Kapitalmärkte dar.

Um diese Finanzierung zu erhalten, müssen die Länder dem Wiederaufbaufonds zunächst die damit geplanten Beiträge zum Umweltschutz und zur digitalen Entwicklung darlegen. Technologische Innovation und Klimaschutzpolitik werden ebenfalls eine Rolle spielen, z.B. das Verbot von besonders umweltbelastenden Autos in Stadtzentren und Fortschritte bei der Batteriekapazität, die eine Verlagerung weg vom Verbrennungsmotor hin zu Elektrofahrzeugen fördern. Außerdem ist Europa eine Exportwirtschaft, und Exporte machen fast 30% des BIP aus. Wenn wichtige Handelspartner, wie die USA oder China, von Unwetterereignissen betroffen sind oder eine eigene Klimapolitik betreiben, wird dies wahrscheinlich Spillover-Effekte haben.

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