EZB betritt gefährliches Neuland: Manipulation der Renditespannen

Die EZB eskaliert die Manipulation des Anleihemarktes. Mit verstärkten Wertpapierkäufen will sie die Renditen zwischen guten und schlechten Staatsschulden in der Eurozone nahe beieinander halten.
EZB betritt gefährliches Neuland: Manipulation der Renditespannen

Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank. (Foto: dpa)
Die EZB hat bereits monetäres Neuland betreten, als sie in der Eurozone negative Zinssätze einführte. Und nun geht sie offenbar erneut einen Weg, den noch keine andere Zentralbank der Welt jemals gewagt hat. Sie hält die Renditespanne zwischen den Staatsanleihen der 19 Mitgliedstaaten stabil, also zum Beispiel die Differenz zwischen den Renditen deutscher und italienischer Staatsanleihen. Dies berichtet Bloomberg unter Berufung auf Insider. Laut einer dieser Quellen hat die EZB konkrete Vorstellungen darüber, welche Renditespannen angemessen sind. Und zwar für jede Art von Markt.

Ein Sprecher der EZB lehnte einen Kommentar ab. Doch die Tatsache, dass die neue Strategie der Notenbank nun an die Presse durchgesichert ist, dürfte nach Ansicht des Finanzjournalisten Wolf Richter Teil ihres Plans sein. Denn wenn die Marktteilnehmer glauben, dass die EZB die Renditespannen niedrig halten wird, dann kommen sie diesen Plänen zuvor und investieren verstärkt in die eigentlich riskanteren Staatsanleihen der Südstaaten. In der Folge verringern sich die Renditespannen. Das heißt, die EZB erreicht das genannte Ziel, ohne dass sie tatsächlich mit Geld in den Markt eingreifen muss.

Um das Auseinanderfallen der Eurozone zu verhindern, ist die EZB in der Vergangenheit immer auch dazu bereit gewesen, sich über die gesetzlichen Grenzen der monetären Finanzierung hinwegzusetzen. Doch zu ihrer Verteidigung muss man sagen, dass sie sich in einer deutlich komplizierteren Lage befindet als andere Notenbanken. Denn jeder Mitgliedstaat emittiert seine eigenen Staatsanleihen, und die EZB kann nicht einfach ein universelles Ziel für die zehnjährige Rendite verkünden. Stattdessen hat sie feste Vorgaben im Hinblick auf die Anteile der verschiedenen Papiere in ihrer Bilanz.

Viel einfacher als die EZB hat es zum Beispiel die japanische Notenbank Bank of Japan (BOJ). Im September 2016 führte sie ein spezielles Anleihekaufprogramm ein, mit dem sie eine zehnjährige Rendite japanischer Staatsanleihen von „etwa 0 Prozent“ anstrebte. Sie kündigte unbegrenzte Anleihekäufe zum Erreichen dieser Rendite an. „Mein Gefühl ist, dass dies eine wichtige Sache für die EZB ist, sie schauen darauf und sind eigentlich neidisch auf die BOJ. Sie würden so etwas gerne haben“, so Christoph Rieger, Head of Rates & Credit Research bei der Commerzbank, gegenüber Bloomberg.

Die EZB kauft nicht erst seit Corona im großen Stil Staatsanleihen, um die Renditen niedrig zu halten, vor allem die italienischen, spanischen und portugiesischen. Denn Dank der ausdrücklichen Rückendeckung durch die EZB können auch die riskanteren Staaten der Eurozone seit vielen Jahren Staatsanleihen zu äußerst niedrigen Zinsen ausgeben. Im Januar hat Spanien in dieser Hinsicht gerade erst einen neuen Rekord aufgestellt. Neu ist nun, dass sie außerdem die Renditespannen stabil halten will und dabei sogar konkrete Renditespannen verfolgt. Wie bereits beim Ziel niedriger Renditen dürfte auch diesmal allein die Ankündigung zum Erfolg führen.

Um die Zinsen für Staatsanleihen nach unten zu bringen, muss eine Notenbank lediglich eine starke Nachfrage nach diesen Papieren bewirken und so den Preis nach oben treiben. Auf diese Weise sind sogar negative Renditen für Anleihen möglich geworden, und Investoren können selbst mit solchen negative verzinsten Papieren Geld verdienen. Wenn nämlich – getrieben von der Notenbank, die beliebig viel Geld drucken kann – die Nachfrage nach den Anleihen weiter steigt, sind die negativen Renditen irrelevant. Wichtig ist allein, dass der Preis steigen wird, was zugleich bedeutet, dass die Renditen noch weiter ins Negative fallen.

Wenn jedoch die Anleihehändler erwarten, dass die Renditen steigen werden, dann würde dies zu einer Verkaufswelle führen würde, wodurch die Renditen steigen würden. Aus Angst vor dem Preisverfall würden Investoren versuchen, ihre Anleihebestände abzustoßen, und es würde eine Abwärtsspirale in Gang kommen. Die EZB wird sicherlich mit aller Macht versuchen, ein solches Szenario zu verhindern. Doch selbst eine Notenbank ist im Hinblick auf die Finanzmärkte nicht allmächtig. Wenn nämlich die Inflation in größerem Maße steigt und der Wert des Euro also stark abnimmt, so verlieren Anleihen möglicherweise mehr an Attraktivität, als die EZB eine wirksame Nachfrage schaffen kann.

Seit Ende Januar letzten Jahres ist die Rendite für zehnjährige deutsche Bundesanleihen um 10 Basispunkte auf -0,53 Prozent gesunken. Die Rendite für zehnjährige italienische Staatsanleihen hingegen sank im gleichen Zeitraum um 26 Basispunkte auf +0,66 Prozent. Somit verringerte sich der Abstand zwischen den deutschen und italienischen Renditen von 135 Basispunkten auf nur noch 119 Basispunkte. Italienische Anleihen mit Laufzeiten von fünf Jahren oder weniger wurden kürzlich vorübergehend zu negativen Renditen. Dies zeigt sicherlich die Macht, über die die Zentralbanken heute verfügen. Doch der Preis ist hoch, und zahlen werden ihn vor allem die deutschen Steuerzahler.

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