Klimawandel-Bericht des IPCC

„Wer die Forschung zum Klimawandel in den letzten Jahren verfolgt hat, für den dürften die Ergebnisse des neuen Berichts der IPCC-Arbeitsgruppe I keine große Überraschung sein. Die wichtigste Neuigkeit ist die Erkenntnis, dass der Einfluss des Menschen auf das Klima „unbestreitbar“ ist. Für viele mag das wie eine längst überholte Aussage klingen, doch für eine Studie, die von den Regierungen fast aller Länder der Welt gebilligt werden muss – auch derjenigen, die noch stark vom Kohlenstoff abhängen – ist es eine recht bahnbrechende Aussage.

Zum Teil spiegelt eine solch kühne Erklärung die wachsende globale Anerkennung der Bedrohung durch den Klimawandel wider, selbst in den Teilen der Welt, die dem eher zurückhaltend gegenüberstehen, was angesichts der wachsenden Zahl von klimabedingten Katastrophen in den letzten Jahren unausweichlich gewesen sein dürfte. Es zeugt aber auch von der zunehmenden Raffinesse der Klimawissenschaft, deren Vorhersagen heute wesentlich präziser und leider meist auch alarmierender sind als zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Pariser Abkommens.

Ebenso wichtig ist, dass der 6. Bewertungsbericht endlich die Risiken potenzieller Kipp-Punkte in den Vordergrund rückt, die zu einer unkontrollierbaren Erwärmung und einer abrupten Neukonfiguration des gesamten Klimasystems führen könnten. Während diese Risiken in früheren IPCC-Berichten (und damit auch in den meisten Diskussionen über finanzielle Klimarisiken) heruntergespielt oder ausgeklammert wurden, heißt es in dieser Fassung ganz klar, dass solche Ereignisse nicht ausgeschlossen werden können und Teil der Risikobewertung sein müssen.

Zusammenfassend stellt der Bericht der Arbeitsgruppe, der sich speziell mit den physikalischen Grundlagen des Klimawandels befasst, klar, dass der Klimawandel eine reale Bedrohung darstellt, die bereits heute spürbar ist und sich weiter verschärfen wird. Selbst im günstigsten Fall wird aufgrund historischer und festgehaltener Emissionen mit einem weiteren Temperaturanstieg bis mindestens Mitte des Jahrhunderts gerechnet. Danach, so warnen die Autoren unmissverständlich, werden wir uns auf eine Erwärmung von mehr als 2°C zubewegen, sofern nicht sofort mit tiefgreifenden und nachhaltigen Emissionsreduzierungen begonnen wird. Dies könnte sogar noch vor Mitte des Jahrhunderts geschehen, wobei die potenziellen Risiken für die Gesellschaft mit jedem zusätzlichen Bruchteil eines Grades größer werden.“

Lesen Sie hier außerdem den Kommentar von Dr. Christopher Kaminker, Head of Sustainable Investment Research & Strategy, und Michael Urban, Senior Sustainability Analyst bei Lombard Odier:

„Der Bericht enthält fünf verschiedene Szenarien, vom besten bis zum schlimmsten Fall, wobei selbst der beste Fall einen Temperaturanstieg im kommenden Jahrzehnt vorhersagt. Die wichtigsten Punkte des Berichts sind nachstehend aufgeführt.

• Das von den Wissenschaftlern modellierte Best-Case-Szenario, bei dem der Atmosphäre mehr Kohlenstoff entzogen als zugeführt wird, deutet darauf hin, dass die Erwärmung bis 2040 wahrscheinlich 1,5 °C erreichen wird
• Technologien zur Kohlenstoffentfernung sind noch nicht in dem erforderlichen Umfang verfügbar und könnten sogar unerwünschte Auswirkungen haben
• Das letzte Jahrzehnt war heißer als jeder andere Zeitraum in den letzten 125.000 Jahren
• Selbst wenn es der Welt gelingt, die Erwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen, sind einige langfristige Auswirkungen der bereits stattfindenden Erwärmung wahrscheinlich unausweichlich und unumkehrbar. Dazu gehört der Anstieg des Meeresspiegels, das Abschmelzen des arktischen Eises sowie die Erwärmung und Versauerung der Ozeane.
Der jüngste IPCC-Bericht untermauert eindeutig die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die mit dem Klimawandel verbundenen Risiken, aber auch Chancen. Generell unterstreicht er, wie wichtig es für Investoren ist, Übergangsrisiken, physische Risiken und Prozessrisiken bei ihren Investitionsentscheidungen zu berücksichtigen.

Wenn man bedenkt, dass die Marktkapitalisierung von Clean-Tech-Unternehmen im Jahr 2020 um 1 Mrd. USD zugenommen hat, während die Marktkapitalisierung von Öl- und Gasunternehmen um etwa 680 Mrd. USD geschrumpft ist (WEF, 2021), dürfte der IPCC-Bericht sicherlich die ohnehin schon lebhafte Nachfrage nach Investitionslösungen für den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel verstärken.
Der Bericht legt nahe, dass extreme klimabedingte Ereignisse schwerer und häufiger werden. Angesichts der eindeutigen wissenschaftlichen Erkenntnisse und des zunehmenden Drucks von Seiten der Zivilgesellschaft, der Konsumenten und der Investoren scheint es sehr wahrscheinlich, dass weitere klimapolitische Maßnahmen folgen werden.

Aus Sicht der Investoren gibt immer noch Ungewissheiten, wie man mit dem Nett-Null-Ziel umgehen soll, aber der Bericht legt im Allgemeinen nahe, dass aggressivere Ziele erforderlich sind (d. h. frühere Zieldaten, ein klareres Zwischenziel bis 2030, weniger Ausgleichsmaßnahmen usw.).

Wenn zum Beispiel Extremereignisse schlimmer/häufiger werden, dann könnte Netto-Null bis 2050 nicht mehr ausreichen. Oder, wenn Netto-Null bis 2050 das Beste ist, was wir tun können, dann sind mehr Anpassungsinitiativen erforderlich, um die negativen Auswirkungen des Klimawandels zu minimieren. Diese Überlegungen sollten die Investoren dazu veranlassen, die Notwendigkeit eines Gleichgewichts zwischen Investitionsentscheidungen zur Eindämmung (d.h. zur Bewältigung von Übergangsrisiken) und zur Anpassung (d.h. zur Bewältigung von physischen und Haftungsrisiken) weiter zu prüfen.

Über die Festlegung von Zielen hinaus müssen Investoren konkrete und realistische Aktionspläne von Unternehmen sehen, um ihre Ziele zu erreichen. Die Standardisierung von Klimametriken wird hier entscheidend sein. Zu diesem Zweck haben wir bei Lombard Odier eng mit dem TCFD an der Entwicklung von Standards für den impliziten Temperaturanstieg (Implied Temperature Rise, ITR) zusammengearbeitet. Gut konzipierte ITR-Metriken bieten eine robuste und intuitive Möglichkeit, die Ausrichtung von Anlageportfolios auf ein bestimmtes Temperaturanstiegsziel zu bewerten (z. B. 1,5 °C für Net Zero).

Die nächste Grenze für Investoren, bei der Lombard Odier Pionierarbeit leistet, besteht in der Messung und Umsetzung des von uns so genannten Climate Value Impact (CVI). CVI liefert eine quantifizierte Vorstellung davon, ob Unternehmen wahrscheinlich positiv oder negativ von den physischen sowie den politisch-wirtschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels betroffen sein werden. CVI umfasst Übergangs-, physische und Haftungsrisiken. Im Wesentlichen übersetzt CVI die Klimawissenschaft des IPCC in entscheidungsrelevante Informationen, um die klimabezogenen Risiken und Chancen in den Portfolios unserer Kunden proaktiv zu managen.“

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