EU-Parlamentierer haben in zuständigen Ausschüssen Regulierungsvorschläge für die Kryptobranche beschlossen, die auf scharfe Kritik stoßen. Konkret geht es um (Hardware) Wallets und anonyme Transaktionen.
Alarmstimmung in der europäischen Kryptoszene: In der EU zeichnet sich eine Verschärfung von Vorschriften für den Umgang mit Bitcoin und Co. ab, die in der Praxis weitreichende Folgen haben dürfte. Beobachter wie der anerkannte Experte Patrick Hansen (früher Branchenverband Bitkom) nutzen Twitter, um kritisch zu informieren. So haben die zuständigen EU-Fachausschüsse für Sicherheit und Justiz sowie Wirtschaft Vorschläge mit knapper Mehrheit abgesegnet, aus denen sich mindestens zwei entscheidende Konsequenten ergeben würden:
1. Auf englisch sogenannte „Unhosted Wallets“ sollen nach Willen der EU-Parlamentarier die Verbindung zu Kryptobörsen und anderen Krypto-Plattformen gekappt werden. Dies beträfe Hardware Wallets ebenso wie Software Wallets, bei denen die Private Keys bei den Nutzern liegen. Wenn Transaktionen von oder zu solchen „unhosted wallets“ stattfinden, müssten Kryptobörsen zuvor Personendaten erheben und überprüfen. In der Praxis wird dies als ein stilles Verbot von Hardware Wallets und anderen besonders sicheren Krypto Wallets interpretiert.
2. Kryptobörsen und vergleichbare Anbieter sollen laut EU-Entwurf dazu gezwungen werden, bei allen Transaktionen Personendaten von Sender und Empfänger zu prüfen und zu dokumentieren. Ein Vorschlag, diese Regel erst bei Beträgen von umgerechnet mehr als 1.000 Euro pro Transaktion zu aktivieren, ist vorerst wieder vom Tisch. Im echten Leben würde also jede Transaktion in Kryptowährungen, die nicht direkt von Person A zu Person B stattfindet, unter offizieller Beobachtung stehen und ab 1.000 Euro meldepflichtig werden.
Der europäische Branchenverband Blockchain for Europe spricht in einem offenen Brief davon, dass die EU-Pläne die Zukunft der Blockchain-Industrie in Europa gefährden. Die verabschiedeten Entwürfe hinken demnach den Realitäten hinterher und würden beispielsweise innovative Lösungen in der Sparte Decentralized Finances (DeFi) komplett eliminieren, da keine Brücke mehr zu Fiat möglich wäre. Anstatt EU-Bürgern den Umgang mit Kryptowährungen in regulierter und sicher Umgebung zu ermöglichen, würden sie bei Umsetzung der Pläne aus dem EU-Raum getrieben, so Blockchain for Europe. Dies werde sich auch auf die Ansiedlung von Unternehmen, Arbeitsplätze und Forschung auswirken.
Coinbase: EU-Pläne zu Bitcoin und Co. schiessen weit übers Ziel hinaus
Eine praxisbezogene Kritik an den Gesetzesvorlagen kommt von Coinbase. Die US-Kryptobörse ist in Deutschland von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) lizenziert und bekannt dafür, sinnvolle Regulierung aktiv zu unterstützen. Doch zur Dynamik im EU-Parlament erklärt Coinbase CEO Brian Armstrong auf Twitter: Kommen die Regeln durch, würde das für Coinbase Richtung Geschäftsverbot laufen.
Armstrong gibt dafür zwei Beispiele: Bei jeder Transaktion, an der eine „Unhosted Wallet“ beteiligt ist, müsste Coinbase dann Personendaten erheben und prüfen – selbst wenn der Empfänger gar nicht Kunde von Coinbase ist. Und eine Meldepflicht bei Transaktionen von umgerechnet über 1.000 Euro würden Banken selbstverständlich zurückweisen, da hier dann etwa auch wiederkehrende Mietzahlungen oder Überweisungen innerhalb der Verwandtschaft unter Generalverdacht stünden.
Fazit: Jetzt protestieren – Überregulierung von Krypto verhindern
Anonymität auch bei Kleinbeträgen in Krypto zu verbieten passt aus unserer Sicht ebenso wenig zum europäischen Selbstverständnis wie ein verstecktes Verbot von Hardware Wallets. Armstrong und andere empfehlen, sich nun direkt an EU-Parlamentarier aus individuellen Wahlkreisen und Ländern zu richten, um diese über Konsequenzen aufzuklären. Denn die Vorschläge gehen im Gesetzgebungsprozess jetzt in den Trilog, in dem Europaparlament, Europäische Kommission und Europäischer Rat beschließen. Hier scheint die letzte Chance, die Notbremse zu ziehen und eine Balance zu erreichen, die Maßnahmen gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung mit dem Recht auf finanzielle Selbstbestimmung vereinbaren.