Nuri-Token: Ein rechtlicher Albtraum für Anleger?

Von Rechtsanwalt und Hochschullehrer Prof. Dr. Bröker und Rechtsanwalt Schmidt, Göttingen

Die Nuri GmbH aus Berlin ist insolvent. Wir hatten bereits am 10.08.2022 darüber berichtet. Was bedeutet das für die Anleger? Dazu muss man einige Aspekte erörtern, die auf den ersten Blick vielleicht nicht sofort ins Auge fallen.

Wer war Nuri GmbH?

Die Nuri GmbH wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 23.10.2015 als Bitwala GmbH mit Sitz in Berlin, eingetragen beim Amtsgericht Charlottenburg unter HRB 173698 B mit einem Stammkapital von 25.002 € gegründet und erst am 22.01.2016 ins Handelsregister eingetragen. Der eingetragene Geschäftszweck lautete auf IT-Beratung und Implementierung von Software.

Am 22.07.2021 wurde dann im Handelsregister die Änderung des Firmennamens in Nuri GmbH eingetragen. Zu diesem Zeitpunkt betrug das Stammkapital 123.478 €. Der Geschäftszweck ist entsprechend dem aktuellen Handelsregisterauszug die „IT-Beratung und Implementierung von Software zur Ausführung und Verwaltung von Funktionen des Zahlungsverkehrs“.

Die Nuri GmbH selbst verfügte zu keinem Zeitpunkt über eine Erlaubnis zur Erbringung von Finanz- oder Wertpapierdienstleistungen bzw. Zahlungsdiensten.

Nur am Rande sei bemerkt, dass die Nuri GmbH ihre Jahresabschlüsse nur für 2015 und 2017 beim Bundesanzeiger hinterlegte, obwohl eine solche Offenlegungspflicht für jeden Jahresabschluss besteht (§§ 325 ff Handelsgesetzbuch HGB) und bei Verstößen dagegen mit Ordnungsgeldern des Bundesamtes für Justiz (BAJ) zu rechnen ist.

Nuri GmbH als gebundener Vermittler

Die Nuri GmbH gab auf ihrer Webseite und in den rechtlichen Dokumenten an, als gebundener Vermittler nach § 2 Abs. 10 KWG für die Solaris Bank AG mit Sitz in Berlin die Anlagevermittlung, die Anlageberatung und/oder das Platzierungsgeschäft zu betreiben. Das Gesetz sagt in § 2 Abs. 10 KWG ausdrücklich, dass eine solche rechtliche Konstruktion zulässig ist. Allerdings besagt das Gesetz auch, dass ein solches „Haftungsdach“ nur exklusiv bestehen kann. Die Nuri GmbH ihrerseits gab aber auf ihrer Webseite und in ihren rechtlichen Dokumenten an, An- und Verkäufe von Nuri-Pots ausschließlich über das Bankhaus von der Heydt zu tätigen.

Interessanterweise ist die Nuri GmbH als gebundener Vermittler im bei der BaFin geführten Register bei der Solaris Bank AG mit Meldedatum 19.05.2022, aber mit Tätigkeitsbeginn bereits ab dem 29.10.2018, eingetragen.

Ein Eintrag als gebundener Vermittler für das Bankhaus von der Heydt findet sich im BaFin-Register nicht.

Es fällt dabei auf, dass ausweislich des BaFin-Registers die Nuri GmbH bereits ab dem 29.10.2018 als gebundener Vermittler für die Solaris Bank AG tätig gewesen sein soll, zu einem Zeitpunkt also, als es die Nuri GmbH noch gar nicht gab, sondern sie als Bitwala GmbH fungierte. Die Solaris Bank AG gab die Meldung an die BaFin ausweislich des Registers aber erst zum 19.05.2022 ab. Es fällt weiterhin auf, dass die Nuri GmbH offensichtlich nicht exklusiv tätig war, sondern nach ihren eigenen Angaben gleichzeitig über 2 verschiedene Banken die Geschäfte abwickelte. Interessant ist auch, dass diese Tätigkeit als gebundener Vermittler eine ganz andere ist, als im Geschäftszweck angegeben und mit dem Geschäftszweck selbst nichts zu tun hat.

Die Selbstdarstellung der Nuri GmbH

Die Nuri GmbH stellte sich in ihrem Internetauftritt als „New Reality Banking“ vor und beschrieb sich dabei selbst als „App“, also als reine Anwendung, mit der der Kunde sein Geld verwalte. Dabei werden die Angebote und Produkte, die Nuri GmbH vermittelte, als „unsere Investmentprodukte“ angepriesen. Die von Nuri GmbH angebotenen Dienstleistungen werden als „mobiles Banking, Investieren und Sparen – alles in einer App“ angeboten. Die Zahl der Kunden wurde noch Anfang August 2022 mit über 400.000 angegeben und dabei die 100%ige Sicherheit sowie die Einlagensicherung in Höhe von 100.000 € je Kundenkonto stark betont. Es heißt auch „mit Nuri hast du alle Vorteile eines Girokontos“, „Nuri ist ein Neobank-Konto“, „Nuri-Bankkonten“. Die Kontoführung wurde als „kostenlos“ angeboten. Alles in allem läßt der Internetauftritt den Eindruck zu, hier handele es sich um ein junges, innovatives FinTech- Unternehmen, ja sogar um eine „Neo-Bank“, welche sich insbesondere auf virtuelle Währungen und die Schaffung einer eigenen Kryptowährung spezialisiert habe. Der ausdrückliche Hinweis auf der Homepage von Nuri „Auch Kryptowährungen werden bei uns streng reguliert.“ könnte in dem Zusammenhang wohl auch als „ein klein wenig übertrieben“ bezeichnet werden. Völlig unklar ist jedenfalls, auf was sich diese strenge Regulierung beziehen soll.

Insgesamt erscheint der Internetauftritt so, als handele es sich um einen „Neo-Broker“. In diesem Zusammenhang sei nur kurz auf die BaFin-Veröffentlichung vom 15.06.2021 (Was Neo-Broker versprechen – und halten) zu Aufgaben, Angeboten und Tätigkeiten von „Neo-Brokern“ hingewiesen.

Die Nuri-Pots

Mit Datum vom 02.03.2022 erstellt eine Firma Tradias Issuance GmbH mit Sitz in Frankfurt, ein Basisinformationsblatt für die Emission von Nuri Allrounder Pot im Gesamtgegenwert von 8 Millionen €. Bei diesen Nuri Pots handelt es sich ausweislich der Unterlagen um eine tokenbasierte Schuldverschreibung, die auf den Inhaber lautet und keine feste Laufzeit hat. Mit diesem Produkt soll der Anleger an der Wertentwicklung des Investmentvermögens mit der Bezeichnung Nuri Invest All-Rounder und der ISIN DE000A2QSG06 als Basiswert beteiligt sein.

Das Produkt ist ausdrücklich an Kleinanleger gerichtet, die das Ziel der Vermögensbildung/Vermögensoptimierung haben.

Dieses Produkt vertrieb die Nuri GmbH nach ihren eigenen Angaben exklusiv über das Bankhaus von der Heydt an die ausgewiesene Zielgruppe der Kleinanleger.

Eine Schuldverschreibung ist nach § 798 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) ein Darlehen, welches der Zeichner der Schuldverschreibung dem Emittenten gewährt. Im Fall der Nuri-Pots war das Darlehen unbefristet, unbesichert und ohne laufende Zinszahlung. Schuldner des Darlehens, also derjenige, der für die Rückzahlung verantwortlich ist, ist die Emittentin, die Tradias Issuance GmbH aus Frankfurt (HRB 125428), die erst am 13.10.2021 mit nur 25.000 € Stammkapital geründet wurde. Ob und wie eine gerade gegründete Gesellschaft mit einem Stammkapital in Höhe von 25.000 € Darlehensverpflichtungen in Höhe von 8 Mio € bedienen kann, ergibt sich daraus jedenfalls nicht.

Interessant ist dabei auch, dass der Geschäftszweck dieser Emittentin die Verwaltung eigenen Vermögens ist. Es heißt da ausdrücklich „Die Gesellschaft hält Vermögensgegenstände für eigene Zwecke, bewertet diese und verwaltet sie. Gegenstand des Unternehmens sind auch EDV-Dienstleistungen sowie Dienstleistungen im Hinblick auf Krypto-Assets (virtuelle Währungen und Security-Token) sowie Finanzinstrumente unter Einschluss der Ausgabe von tokenisierten Schuldverschreibungen und sonstigen Security-Debt-Token.“

Diese Gesellschaft wiederum hat zwei Geschäftsanteile, die sich vollständig im Besitz einer dritten Gesellschaft befinden.

Eine Erlaubnis zur Erbringung von Bank-, Finanz-, Wertpapier- oder Zahlungsdienstleistungen hat die Tradias Issuance GmbH nicht. Sie fungiert ihrerseits wiederum als gebundener Vermittler der Gesellschaft, die an ihr die beiden Geschäftsanteile hält.

In den Geschäftsbedingungen der Nuri-Pots heißt es dann ausdrücklich, dass das mit dem Verkauf dieser „Token“ eingenommenen Geld, also die von Anlegern an die Tradias Issuance GmbH gewährten unbesicherten und unbefristeten Darlehen quasi zur freien Verfügung der Emittentin bestimmt ist. Diese darf es laut den Darlehensbedingungen frei im Rahmen des oben beschriebenen Geschäftszweckes einsetzten.

In dem von der Emittentin, der Tradias Issuance GmbH, im März 2022 veröffentlichten Basisinformationsblatt heißt es weiterhin ausdrücklich, dass ein Totalverlust nicht ausgeschlossen werden kann und dass diese Token als Schuldverschreibungen keiner Einlagensicherung unterliegen.

Schaut man sich das gesamte Konstrukt einmal an, so drängt sich der Eindruck auf, das Ganze habe mit virtuellen Währungen, Kryptowährungen so rein gar nichts zu tun. Betrachtet man in diesem Zusammenhang die Werbung der Nuri GmbH zu ihren Dienstleistungen und dem Produkt Nuri Pots, so fällt erst recht ein eklatanter Widerspruch auf. Vergleicht man dann die zeitlichen Abläufe, die Kapitalstrukturen und Verflechtungen der Gesellschaften, so ergeben sich doch erhebliche weitere Fragen. Eine davon dürfte ganz einfach zu stellen sein: War den Anlegern wirklich klar, was sie hier mit welchem Risiko bei wem kauften?

Aufsicht über gebundene Vermittler

Es stellt sich auch die Frage, wer beaufsichtigt eigentlich solche gebundenen Vermittler, deren Produkte, deren Geschäftsabläufe und auch deren Webauftritt? Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)? Weit gefehlt. Die ist dafür nicht zuständig. Nach § 2 Abs. 10 KWG ist das Haftungsdach alleine für die Aufsicht über die von dem jeweiligen Haftungsdach abgedeckten Vermittler verantwortlich. Na ja, wenn das so ist und die Nuri GmbH auf Grund der Insolvenz keinen müden Cent an Anleger auskehren kann, die Emittentin Tradias Issuance GmbH ebenfalls ausfallen sollte, so werden sich die Anleger wohl an die beiden Banken halten. Interessant dürfte dabei zu beobachten sein, wie Gerichte die rechtliche Beurteilung hinsichtlich des Haftungsdaches Solaris Bank AG und möglicher dortiger Pflichtverletzungen sehen und wie sie die Rolle der von der Heydt Bank beurteilen, über die die Nuri GmbH (ebenfalls exklusiv) die Geschäfte in den Nuri-Pots abgewickelt hat. Die Beantwortung der Frage, ob es sich im Übrigen bei diesen Token in Wirklichkeit nicht vielleicht doch um ein echtes Investmentvermögen im Sinne der Bestimmungen des Kapitalanlagegesetzbuches (KAGB) und damit bei der Emittentin, der Tradias Issuance GmbH, um eine erlaubnispflichte Fondsgesellschaft handeln könnte, dürfte auch spannend werden.

Fazit:

Die Anleger dürften wohl hinsichtlich der rechtlichen Ausgestaltung der Nuri-Token und der Vertragswerke überrascht sein. Man darf jedenfalls gespannt sein, wie es hier weitergeht.

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