Niedrige Arbeitslosenquote in den USA: Der Schein trügt

Der aktuelle Neuwirth Finance Zins-Kommentar

Jeder kennt den Spruch: „Traue keiner Statistik, die du nicht selber gefälscht hast“. Natürlich kann man nicht alles pauschalisieren, doch in der Regel lohnt es sich tatsächlich einen Blick auf die Erhebungsverfahren zu werfen. Nur dann können Statistiken wirklich in ihrem Kern verstanden, verglichen und interpretiert werden. So verhält es sich auch mit der offiziellen Arbeitslosenquote in den USA, die zuletzt auf fast 4 Prozent absinken konnte. Somit könnte man glauben in den Vereinigten Staaten herrscht derzeit nahezu Vollbeschäftigung. Doch weit gefehlt, denn in der offiziellen Statistik der amerikanischen Behörden werden etliche arbeitslose Person einfach nicht mehr berücksichtigt. Erfahren Sie in der heutigen Ausgabe des Zinskommentars, warum die tatsächliche Arbeitslosenquote in den USA weit über der offiziellen Kerngröße liegt.

 

 

Markt-Monitoring und Ausblick

Kurzfristiger Zins: Der 3-Monats-Euribor bleibt immer noch nahezu unverändert bei – 0,329%. Bis Ende Q2 erwarten wir eine Seitwärtsbewegung, danach eine leichte Tendenz Richtung – 0,20%, da die Erwartung vom Ausstieg am Quantitative Easing den kurzfristigen Zins sukzessive anheben wird.

Langfristiger Zins: Der 10jährige SWAP-Satz ist in den letzten Wochen leicht über die 1%-Marke gestiegen und liegt nun bei 1,07 %. Wir erwarten dennoch zukünftig wieder niedrige SWAP-Sätze zwischen 0,75% – 1,00%.

 

Niedrige Arbeitslosenquote in den USA: Der Schein trügt

Die offizielle Arbeitslosenquote der USA berechnet sich aus dem Verhältnis von unbeschäftigten Personen ab 16 Jahren und der Erwerbsbevölkerung. All jene gelten als unbeschäftigt, die keinen Arbeitsplatz haben, aktiv einen Job in den letzten vier Wochen gesucht haben und gegenwärtig verfügbar sind. Die Erhebung der Daten erfolgt über eine Umfrage von 60.000 Haushalten. Dabei wird versucht über standardisierte Fragen zu erfassen, ob zum Beispiel eine Person aktiv einen Job in den letzten vier Wochen gesucht hat. Das kann das Kontaktieren von Freunden oder das Abschicken von Bewerbungen sein. Wer nur Anzeigen studiert fliegt aus der Statistik raus und gilt als nicht aktiv suchend.

Neben der offiziellen Arbeitslosenquote (U-3) erhebt die amerikanische Arbeitsbehörde fünf weitere Arbeitsmarktstatistiken (U-1, U-2, U-4, U-5 und U-6), die alle unterschiedlich berechnet werden. Die Quoten U-1 und U-2 sind eher vernachlässigbare und restriktivere Statistiken und berücksichtigen zum Beispiel nur Langzeitarbeitslose. Die Kennzahlen rund um U-4, U-5 und U-6 sind jedoch wesentlich interessanter und geben uns Aufschluss darüber, welche Bevölkerungsgruppen aus der offiziellen Statistik herausfallen:

U-3 = offizielle Arbeitslosenquote (Berechnung wie oben beschrieben)

U-4 = U-3 + „entmutigte“ Erwerbsfähige (All jene, die arbeiten wollen, verfügbar sind und in den letzten zwölf Monaten aktiv bei Gelegenheit nach einem Job gesucht haben, aber nicht in den letzten vier Wochen, aus dem besonderen Grund, da sie glaubten es gäbe keinen Job für sie)

U-5 = U-4 + alle anderen „marginalen“ Erwerbsfähigen (All jene, wo der Grund für die nicht aktive Suche nach einem Job in den letzten vier Wochen egal ist)

U-6 = U-5 + alle unfreiwilligen Teilzeitarbeitskräfte (All jene, die Vollzeit arbeiten möchten, aber nicht können)

Daraus resultiert vor allem eines: Aus der offiziellen Statistik fallen erstens alle Langzeitarbeitslosen raus bzw. alle, die seit vier Wochen nicht aktiv nach einem Job gesucht haben und zweitens alle, die unfreiwillig teilzeitbeschäftig sind. Vergleicht man die offizielle Quote mit der U-6 Statistik wird eine deutliche Diskrepanz zwischen den beiden Größen sichtbar (Vgl. Abbildung 1). Die offizielle Arbeitslosenquote lag zuletzt bei 4,1 Prozent im Januar 2018 und die U-6 Statistik bei 8,2 Prozent und ist damit doppelt so hoch wie öffentlich suggeriert. Macht man die Differenz an absoluten Zahlen fest, lag die Anzahl derer, die aus der Statistik fliegen im Januar 2018 bei ca. 6,6 Millionen Personen (Vgl. Abbildung). Damit werden in der Öffentlichkeit vor allem diejenigen ignoriert, die scheinbar die Suche nach einem Arbeitsplatz weitestgehend aufgegeben haben. Nach dem Motto: Wer nicht regelmäßig aktiv sucht, ist nicht arbeitslos und wird somit in der Arbeitslosenquote nicht berücksichtigt.

Abbildung: Arbeitslosenquoten U-3 und U-6 (Primärachse) sowie Anzahl derer, die in der offiziellen Arbeitslosenquote ignoriert werden: U-4, U-5 und U-6 (Sekundärachse)

Quelle: Eigene Berechnung und Darstellung; FED of St. Louis

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Dennoch sind die wichtigsten Arbeitslosenquoten in sich konsistent und geben zumindest Aufschluss darüber, ob sich der Arbeitsmarkt in einer Aufschwung- oder Abschwungphase befindet. So kann zumindestens nicht abgestritten werden, dass sich der Arbeitsmarkt wieder bis auf das Vorkrisenniveau erholen konnte. Das Phänomen der „beschönigten“ Arbeitslosenquote ist sicherlich nicht nur in den Vereinigten Staaten zu sehen, sondern auch hier in der Eurozone. Gewiss hat das Vorgehen einerseits politische und andererseits praktische Gründe, denn geringe Arbeitslosenquoten spielen der Regierung in die Karten und Behörden möchten insbesondere nur diejenigen erfassen, die wirklich auf der Suche nach einer Arbeitsstelle sind und trotzdem keine finden. Dennoch werden Arbeitslose unterschlagen, die vielleicht doch noch in den Arbeitsmarkt integrierbar wären. Am Ende ist es wichtig, zu verstehen wie die verschiedenen Arbeitslosenquoten zustande kommen und diese nicht über zu interpretieren.

Man sollte die Arbeitslosenquote dennoch immer in Relation zur Erwerbstätigenquote analysieren. Dazu erfahren Sie mehr im nächsten Zinskommentar

 

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