„Ist das jahrelange Stillhalten vorbei?“

Logo_Neuwirth Finance_NewsletterDer aktuelle Neuwirth Finance Zins-Kommentar

Die US-Notenbank wagt den Schritt und erhöht ihren wichtigsten Leitzins, die Federal Funds Rate, um einen viertel Punkt auf 0,5 bis 0,75 Prozent. Die Notenbankchefin Janet Yellen begründete die Entscheidung mit der verheißungsvollen Entwicklung der US-Wirtschaft und der positiven Bilanz am Arbeitsmarkt. Ergo wächst der Druck auf Mario Draghi sich in Europa von der Nullzinspolitik zeitig zu verabschieden. Erfahren Sie in der heutigen Ausgabe des Zinskommentars, ob der Optimismus in Bezug auf ein Ende des Zauderns in Europa berechtigt ist.

 

Markt-Monitoring und Ausblick
Kurzfristiger Zins: Der 3-Monats-Euribor hat sich in den letzten zwei Wochen kaum verändert und steht nun bei -0,314%. Ein leichtes Abfallen in Richtung -0,4 % halten wir nach wie vor für sehr wahrscheinlich. Dies ist der aktuelle Stand der Einlagenfazilität der EZB.

Langfristiger Zins: Der 10jährige SWAP-Satz liegt derzeit bei 0,58 % und ist in den letzten Wochen wieder gesunken. Durch BREXIT erwarten wir weiterhin niedrige SWAP-Sätze zwischen 0,20% – 1,00%.

 

 

Ist das jahrelange Stillhalten vorbei?

 

Von einer Zinswende in Amerika zu sprechen, ist noch zu früh. Die FED verabschiedet sich nur von der ultralockeren Geldpolitik. Eine große Unbekannte bleibt immer noch Donald Trump und die Durchsetzbarkeit seines geplanten Infrastrukturinvestitionsprogrammes. Auch blieb die FED in diesem Jahr weit unter ihren Erwartungen. Ursprünglich hatte die Notenbank den Leitzins vier Mal anheben wollen. Letztendlich blieb es bei einer Zinserhöhung im Dezember wie schon das Jahr zuvor. Grundsätzlich peilt die FED bis Ende des Jahres 2019 einen Zinssatz von ca. 3,0 Prozent an. Die Projektion basiert auf der Annahme, dass sich das Wirtschaftswachstum auf dem derzeitigen Niveau von ca. 2,0 Prozent halten wird, auch die Kerninflationsrate soll sich bis 2019 auf 2,0 Prozent hochschrauben. Bleibt der Arbeitsmarkt stabil, wovon zumindest kurzfristig auszugehen ist, könnte die FED ceteris paribus ihre hochgesteckten Ziele erreichen. Dennoch ist auch nach der Anhebung der Leitzins niedrig und der lindernde Effekt wenig spürbar. Der Zinsschritt gibt aber der US-Notenbank wieder Handlungsspielraum den Leitzins in Schwächephasen effektiv senken zu können.

 

In Europa hat die EZB schon eine Woche vor der Leitzinserhöhung durch die FED beschlossen, das Anleihekaufprogramm um neun Monate von März bis Dezember 2017 zu verlängern. Das Volumen sinkt zwar von 80 auf 60 Milliarden Euro, doch ein Ende der expansiven Geldpolitik ist nicht in Sicht. Ferner formulierte Draghi bei der Pressekonferenz: „Eine Straffung der Geldpolitik ist heute nicht diskutiert worden.“ Damit sendet der EZB-Präsident ein klares Signal an die Kapitalmärkte. Um die Ausweitung der Anleihekäufe zu realisieren, lockerte die EZB ihre eigenen Regularien: Ab Januar sind auch Anleihen mit Renditen unterhalb des Mindestreservesatzes von -0,4 Prozent erwerbbar. Zudem können nun Anleihen mit Laufzeiten von nur einem Jahr gekauft werden. Zuvor lag die Grenze bei einer Laufzeit von zwei Jahren. Die Kaufmöglichkeiten werden somit drastisch ausgeweitet. Bereits im September berichteten wir unter dem Titel „Gehen der EZB die Staatsanleihen aus?“ über die regulatorische Problematik. Doch wieder hat sich gezeigt, die EZB schreibt ihre eigenen Gesetze und ist anpassungsfähig.

 

Auch wenn sich in den letzten Jahren eine gewisse Äquivalenz zwischen EZB und FED in ihren Zinsentscheidungen gezeigt hat, so konnte sich die Eurozone nicht gleichermaßen erholen. Die Arbeitslosenquote ist immer noch bei 10 Prozent und selbst die Kerninflationsrate hat mit 0,9 Prozent noch Luft nach oben. Zwar hofft die EZB bis 2019 auf eine Inflation von 1,7 Prozent, doch politische Unsicherheiten könnten die Währungshüter wieder zurückwerfen. Den wirklichen Umschwung erleben wir noch nicht, doch das Jahr 2016 hat gezeigt, dass Überraschungen überall auf uns warten. Nichtsdestotrotz reicht es nicht mehr über den Teich zu blicken, um Prognosen für die Währungsunion zu machen. Während die Zentralbanken ihre Unabhängigkeit betonen, beruhen viele ihrer Entscheidungen auf dem politischen Geschehen. Das hat die derzeitige Bankenkrise in Italien wieder einmal gezeigt.

 

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