„Der Schuss ging nach hinten los“

Der aktuelle Neuwirth Finance Zins-Kommentar!

Die Verhandlungen um den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union (EU) haben begonnen, und die deutsche Verhandlungsführerschaft erhält durch eine im Juni veröffentlichte Studie des ifo-Instituts weiter Rückendeckung. Die von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Analysen sehen Großbritannien in fast jedem Austrittsszenario als den großen Verlierer. Erfahren Sie in der heutigen Ausgabe des Zinskommentars mehr über die ökonomischen Auswirkungen eines Brexits auf die deutsche und europäische Wirtschaft.

 

Markt-Monitoring und Ausblick

 

Kurzfristiger Zins: Der 3-Monats-Euribor bleibt stabil und steht nach minimalen Schwankungen bei – 0,331%. Ein leichtes Abfallen in Richtung -0,4 % halten wir nach wie vor für sehr wahrscheinlich. Dies ist der aktuelle Stand der Einlagenfazilität der EZB.

Langfristiger Zins: Der 10jährige SWAP-Satz steigt wieder ein wenig und liegt derzeit bei 0,79 %. Wir erwarten weiterhin niedrige SWAP-Sätze zwischen 0,20% – 1,00%.

 

 

Der Schuss ging nach hinten los

Die Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU dauern nun schon seit dem 29. April dieses Jahres an und noch immer ist nicht klar, welche Position die britische Regierung unter Theresa May einnehmen wird. Infolgedessen sind die aufgeführten Szenarien und Analysen des ifo-Instituts und auch anderer Forschungseinrichtungen mit Unsicherheit behaftet, denn keiner weiß bis heute genau, wie das Austrittsabkommen aussehen wird.

Nichtsdestotrotz ist die EU wichtigster Handelspartner für Großbritannien. Auch zu Deutschland bestehen enge Handelsverflechtungen. Das Vereinigte Königreich ist der drittwichtigste Absatzmarkt für deutsche Exporte. Seit 2008 entwickelten sich die deutschen Exporte nach UK dynamisch in eine Richtung (s. Abbildung 1). Wohingegen die Importe leicht gesunken sind. Dadurch ergibt sich ein Handelsüberschuss (Exporte-Importe) von 51 Milliarden Euro im Jahre 2016, das macht ca. 1/5 des gesamten Handelsüberschusses von Deutschland aus. Besonders für die Automobilindustrie ist Großbritannien ein wichtiger Absatzmarkt, so fließen 12,3 Prozent der gesamten Automobilexporte auf die Insel. Jedoch wird auch der Pharma- und Maschinenbauindustrie große Bedeutung zugeschrieben, womit die drei Bereiche am stärksten betroffen sein werden, wenn auch mit unterschiedlicher Ausprägung.

Abbildung 1:

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UK ist für Deutschland wichtiger als für andere große EU-Länder. So kann der Brexit in Deutschland Wachstumseinbußen von 0,24 Prozent bedeuten. In Frankreich sind es lediglich 0,2 Prozent und in Italien 0,15 Prozent. Hingegen kann der Brexit für kleinere Länder wie Malta, Zypern oder Irland gar schlimmere Folgen haben als für Großbritannien selbst. Trotz des hohen Handelsüberschusses Deutschlands mit Großbritannien prognostiziert das ifo-Institut im Falle eines ambitionierten Freihandelsabkommens eine Herabsenkung des BIPs in Deutschland um lediglich 0,10 Prozent, wohingegen UK mit Einbußen von 0,6 Prozent zu rechnen hätte. Die gesamte EU hätte mit einem Rückgang von 0,11 Prozent zu rechnen (s. Abbildung 2).

 

Abbildung 2: Wachstumsveränderung durch einen Brexit

Worst-Case-Szenario                      Best-Case-Szenario

Deutschland                                 -0,23%                                        -0,10%

EU 27                                          -0,26%                                        -0,11%

Vereinigtes Königreich                     -1,73%                                        -0,60%

 

Am Ende werden die Wachstumseinbußen vermutlich irgendwo in der Mitte liegen. Dennoch wird durch die Analysen des ifo-Instituts deutlich: Ein harter Brexit nützt niemandem was. Zumindest sorgen die Unsicherheiten über den Austritt Großbritanniens aus der EU auch dafür, dass Unternehmen Investitionsentscheidungen vertagen und somit jetzt schon die Wirtschaft gehemmt werden könnte. Trifft der Brexit die Währungsunion härter als erwartet, wären zu hohe Refinanzierungsbedingungen schädlich für die europäische Wirtschaft, womit die EZB mögliche Zinsanhebungen noch weiter in die Zukunft aufschieben könnte.

 

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